CV19: Homilie des Proklos von Kyzikos

Inhalt: Proklos, der Bischof von Kyzikos, hält zu einem nicht mit Sicherheit zu bestimmenden Marien­fest in der Hauptkirche von Konstantinopel eine Predigt, in welcher er Maria als ewige Jungfrau und Mutter desjenigen preist, der Gottheit und Menschheit wesensmäßig in sich vereint und nur aufgrund dieser Voraussetzung in der Lage war, die Menschen zu erlösen.

Edition: Collectio Vaticana 19, ACO I,1,1 S. 103,1–107,22; ältere Edd.: Labbé/Cossart (1671–1672), Bd. 3 Sp. 9–20; Coleti (1728–1734), Bd. 3 Sp. 577–585; Mansi, Bd. 4 Sp. 577–588; PG 65, Sp. 680–692

Verzeichnisnummern: CPG 5800

Verfasser: Proklos von Kyzikos (später: von Konstantinopel)

Datierung: Datierung unsicher: Ende 428 bis Frühjahr 430

Lat. Übersetzungen:  –

Literatur: Constas (2003); Peltomaa (2004)

Homilie des Proklos, des Bischofs von Kyzikos, gehalten in Anwesenheit des Nestorius in der
großen Kirche von Konstantinopel:

(1) Das Fest der Jungfrau ruft die Zunge heute, liebe Brüder, zum Lobpreis auf, und
die laufenden Feierlichkeiten werden für jene, die zusammengekommen sind, zum
Garanten des Nutzens.
Und das völlig zu Recht. Es trägt nämlich die Vorstellung der
Reinheit in sich. Es ist der sich erfüllende Stolz des Geschlechtes der Frauen und der
Ruhm der Weiblichkeit um derjenigen willen, die zugleich Mutter und Jungfrau ist.
Das Fest ist beliebt. Denn seht: Die Erde und das Meer zeigen sich der Jungfrau
ergeben; das eine breitet unter den Schiffen freundlich den Rücken aus, die andere
säumt ohne Hindernis die Spuren der Wandernden.
Die Natur soll springen, und die
Frauen werden geehrt. Die Menschheit soll tanzen, und die Jungfrauen werden
gerühmt. ‚Denn wo die Sünden zugenommen haben, hat die Gnade durch ihr
Übermaß die Oberhand erlangt.‘
Zusammengerufen hat uns die heilige Maria, der
unbefleckte Hort der Jungfräulichkeit, das geistige Paradies des zweiten Adams, die
Werkstätte der Einung der Naturen, das Fest des heilbringenden Abkommens, die
Kammer, in der der Logos die Ehe mit dem Fleisch einging, der beseelte Dornbusch
der Natur, den das Feuer der göttlichen Wehen nicht verbrannte,
die wahrhaft leichte
Wolke,
die denjenigen, der über den Cherubim steht, mitsamt dem Leib trug, die
vollkommen reine Wolle des Regens aus den Himmeln,
aus welcher der Hirte sich das
Schaf umlegte,
die Magd und Mutter, Jungfrau und Himmel, die alleinige Brücke für
Gott zu den Menschen, der ehrfurchterregende Webstuhl des Heilsplans, an dem auf
unaussprechliche Weise das Gewand der Einung gewebt wurde. Dessen Weber war der
Heilige Geist, [dessen] Spinnerin aber die Schatten werfende Kraft aus der Höhe,die
Wolle das alte Vlies Adams,
der Faden das unbefleckte Fleisch aus der Jungfrau, das
Weberschiffchen die unermessliche Gnade des Trägers, der Künstler jedoch der durch
das Ohr hineinspringende Logos.

Wer hat gesehen, wer hat gehört, dass Gott auf unbeschreibliche Weise in einem
Mutterleib Wohnung nahm? Wen der Himmel nicht fasst, den schränkt kein Bauch
ein.

1 | 3–5 Das … Nutzens]

Es ist nicht ganz sicher, welches Fest hier eigentlich gemeint ist. Zu dessen Bestimmung und den sich nicht nur daraus ergebenden Datierungsfragen vgl. oben S. XXIIIf.

1 | 8–10 Die … Wandernden]

Die hier gewählte Beschreibung, in welcher Weise Meer und Erde Maria ihre Ehre erweisen, könnte auf den Beginn der ‚Reisesaison‘ hindeuten, also möglicherweise darauf, dass die hier kommentierte Predigt im Frühjahr gehalten wurde. Vgl. dazu aber oben Anm. zu CV19,1,3 – 5.

1 | 12–13 Denn … erlangt]

Vgl. Röm 5,20.

1 | 14 das … Paradies]

Als Junktur ebenfalls auf Maria bezogen in der fälschlicherweise Johannes Chrysostomos zugeschriebenen Schrift In annun­tia­tionem b.v. (PG 50, 794), die möglicherweise eigentlich Proklos gehört (vgl. Marx [1940], S. 68f.).

1 | 16–17 der‌³ … verbrannte]

Vgl. Ex 3,2. Zur Anwendung des Bildes des brennenden Busches auf Maria vgl. als sicheren Vorgänger Greg. Nyss. Vit. Mos. 2,21; ders. In diem nat. PG 46, 1136B–C.

1 | 17–18 die … Wolke]

Vgl. Jes 19,1.

1 | 18–19 die‌² … Himmeln]

Vgl. Ri 6,37.

1 | 19–20 aus‌² … umlegte]

Nicht der ‚räuberische Wolf‘ legt sich hier den Schafspelz an (vgl. Mt 7,15), sondern der ‚gute Hirte‘ (vgl. Joh 10).

1 | 20 die Magd]

Vgl. Lk 1,38.

1 | 21 der … Heilsplans]

Zur Metaphorik des Webens vgl. Constas (2003), S. 315–358.

1 | 23 die‌¹ … Höhe]

Vgl. Lk 1,35.

1 | 23–24 die‌² … Adams]

Vgl. Gen 3,21.

1 | 25–26 der‌² … Logos]

Hinter diesen Worten verbirgt sich offenbar die Vorstellung, dass der göttliche Logos (in seiner Eigenschaft als gesprochenes Wort) von Maria durch das Ohr empfangen wurde. Sie kommt weiter unten noch einmal deutlicher zum Ausdruck (vgl. CV19,10,4 – 5) und findet sich auch noch an anderer Stelle in den Schriften des Proklos (vgl. De inc. domini, S. 200,48, Ed. Constas [2003]). Wie z.B. die oben (Anm. zu CV19,1,14) schon erwähnte Schrift In annuntiationem b.v. (vgl. PG 50, 794) oder die unter dem Namen des Gregorios Thaumaturgos überlieferte Schrift In annuntiationem s.v.M. (PG 10, 1164B) zeigen, steht diese Vorstellung damit in Verbindung, dass Marias Schwangerschaft verbal von Gabriel verkündet wurde (vgl. Lk 1,26–35). Zu der Geschichte dieses Gedankens vgl. Constas (2003), S. 275–282.

Die Akten des Konzils von Ephesus 431. Übersetzung, Einleitung, Kommentar

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