Ebenso eine andere Predigt:
Ich glaube jedenfalls, dass die Beleidigungen der Häretiker gegen mich gleichsam
Possen von kleinen Kindern sind, und ihr angedrohtes Versenken ins Meer, ebenso das
Verlangen nach Störungen, die jüngst unternommenen Verfolgungen, auf die man aus
ist, die Vernachlässigung des Notwendigen, die sie uns vorwerfen, und die albernen
[Äußerungen] der Geschwätzigkeit von anderen gegen uns verlache ich wie den Lärm
von Fröschen und verachte sie jedenfalls wie die Geschosse und Burgen kleiner
Kinder, wie sie [auch] der Prophet einst verspottete, als er sagte: „Die Pfeile“ der
Kinder „sind geschaffen zu ihrer eigenen Heimsuchung.“ Nichts aber ist elender als
jener Hirte, der sich des Lobs der Wölfe rühmt. Wenn er denen gefallen will und sich
dafür entschieden hat, von ihnen geschätzt zu werden, wird den Schafen daraus großes
Verderben entstehen. Kein Hirte kann also den Wölfen und den Schafherden [gleich‐
zeitig] gefallen.
Ich will also, wie ich vorher gesagt habe, die Worte jener verachten, indem ich
gegen sie die Worte des Herrn vorbringe: „Viperngezücht, wie könnt ihr Gutes reden,
wenn ihr böse seid?“ Jedenfalls ist es notwendig, diesen Ansichten, mit denen sie sich
gegen Gott bewaffnen, in den Weg zu treten und sich ihnen zu widersetzen. Sie
bezeichnen nämlich die Leben spendende Gottheit als sterblich und wagen es, das
göttliche Wort [auf die Stufe] von Theaterstücken herabzuwürdigen, als ob es in Win‐
deln gewickelt und gestorben sei, oh Frevel. Obwohl der Herr Christus seine Güte
gegen uns ausgebreitet hat, befindet er sich bei diesen in Gefahr, seine Würde als Gott‐
heit zu verlieren. Lobe [unsere Sichtweise], Elendster, wenn auch noch so wütend, und
lasse die Sorge um deine Heilung zu. Pilatus hat nicht die Gottheit getötet, sondern
das Gewand der Gottheit. Nicht das göttliche Wort wurde von Joseph in ein Leinen‐
tuch gewickelt dem Grab anvertraut. Denn wie hätte jener dies erleiden können, der
„den Erdkreis beherrscht und alle, die wie Heuschrecken darin wohnen“, wie der
Prophet sagt?
Aber wer ist es, der in die Leinentücher für das Begräbnis gewickelt wurde? Höre,
was mit den Worten des Evangeliums verkündet wird: „Ein reicher Mann kam von
Arimathia, der den Namen Joseph trug, und der selbst ein Jünger Jesu gewesen war.
Dieser ging zu Pilatus und forderte den Leib Jesu. Da befahl Pilatus, ihm den Leib zu
geben, und Joseph empfing diesen Leib und wickelte ihn in sauberes Leinen und legte
ihn in das Grab.“ Dreimal sagte [der Evangelist] ‚Leib‘, und nicht einmal gedachte er
der Gottheit. Denn die Soldaten hatten die Gottheit nicht mit ihrer Lanze verletzt.
Aber was ist es, was von ihnen verwundet wurde? Von Johannes wirst du belehrt:
„Einer der Soldaten“, sagt er, „verletzte mit seiner Lanze seine Seite.“ Und höre
außerdem [noch] einen Beweis, durch den [zweifelsfrei] feststeht, dass die Gottheit
völlig unverletzt blieb: „Sogleich“, sagt er, „floss Blut und Wasser heraus.“ Denn wenn
der, der lebendig macht, selbst gestorben wäre, wer wäre dann zurückgeblieben, um
den Toten zu erwecken? Ein Mensch ist gekommen, um die Toten zu erwecken, nicht
um selbst für tot befunden zu werden, [und er ist gekommen,] um denen, die am
Boden liegen, Hilfe zu bringen, nicht um gleichsam selbst am Boden zu liegen und
Hilfe zu benötigen. Gott wurde durch die Verbindung oder Gemeinschaft mit dem
Menschen nicht verändert. Denn er selbst ist es, der durch den Propheten ausruft:
„Ich bin es, ich bin es, und ich habe mich nicht verwandelt.“ Und wiederum: „Du
selbst aber bist derselbe und deine Jahre werden nicht zu Ende gehen.“
Aber er hat sich mit der menschlichen Natur geeint und diese in einer Umarmung
der Gottheit umfasst und in die Höhe erhoben, wobei er selbst das blieb, was er war.
Deshalb sagte Petrus, als er über unsere Erstlingsgaben predigte und jene Höhe
beschrieb, die Gott dieser sichtbaren Natur zugeteilt hat: „Gott“, sagte er, „hat diesen
Jesus auferweckt.“ Gott ist also nicht gestorben, sondern er hat auferweckt. Höre, was
Petrus sagt, oh Apolinarios, höre auch du zusammen mit Apolinarios, arianische
Gottlosigkeit: „Gott hat“, sagt er, „diesen Jesus auferweckt“, ihn, der sich zeigt, ihn,
den die Augen anschauen, der ans Holz geheftet wurde, der von den Händen des
Thomas berührt wurde, der ihm zurief: „Berührt [mich] und [S. 32:] seht, dass ein
Geist keine Knochen und kein Fleisch hat, wie ihr es bei mir seht.“ Und durch diese
Worte wie auch durch das Berühren des gekreuzigten Körpers selbst von der Auf‐
erstehung in Kenntnis gesetzt, pries er Gott, der so Wunderbares vollbringt, indem er
sagte: „Mein Herr und mein Gott“, wobei er nicht das, was er berührt hatte, als Gott
ansprach. Denn die Gottheit wird durch eine solche Berührung nicht aufgespürt.
Wenn nämlich Thomas begonnen hätte, durch dieses Berühren das göttliche Wort zu
erkennen und zu verinnerlichen, hätte ohne Zweifel der Herr zu ihm gesagt: ‚Fass
mich an und sieh, dass ich Geist bin und Gott.‘ Nun aber sagt er im Gegenteil: „Be‐
rühre [mich] und sieh, dass ich kein Geist bin. Denn ein Geist hat kein Fleisch und
keine Knochen, wie ihr sie bei mir seht“, [und] ihr seht offenbar, dass ich gemäß dem,
was sichtbar ist und sich zeigt, zusammengefügt wurde, und ihr erkennt, dass ich
gemäß der Substanz des Körpers berührbar bin. Denn nicht, Apolinarios, machen die
Knochen und das Fleisch die Gottheit des väterlichen Wortes aus. Über diesen
Berührbaren ruft Petrus aus: „Diesen Jesus hat Gott erweckt. Deshalb ist er durch die
rechte Hand Gottes erhöht worden“, während doch das göttliche Wort die Hilfe der
Rechten nicht [braucht], oh arianischer Wahnsinn. „Nachdem er auch den verheiße‐
nen Heiligen Geist vom Vater empfangen hatte, hat er diesen ausgegossen, wie ihr seht
und hört.“
Höre auch Paulus, wie er über Gott nachsinnt und jene unwandelbare Verbindung
von Gott und Mensch darlegt: „Er, der in der Gestalt Gottes war, hielt es nicht für
einen Raub, dass er Gott gleich sei, sondern er entäußerte sich selbst, indem er die
Gestalt eines Knechtes annahm.“So sagt er nämlich auch an anderen Stellen: „Er hat
zu uns gesprochen im Sohn, den er eingesetzt hat als Erben von allem, durch den er
auch die Weltzeiten geschaffen hat, der der Glanz seiner Herrlichkeit ist.“ Wenn er
den Sohn anführt, bezeichnet er ihn behutsam als Glanz seiner Herrlichkeit und als
eingesetzten Erben, als eingesetzten Erben freilich dem Fleische nach, als Abglanz der
väterlichen Herrlichkeit aber der Gottheit nach, weil der Fleischgewordene sich nicht
von der Ähnlichkeit, die ihn mit [seinem] Vater verbindet, losgesagt hat.Deswegen
sagt auch Paulus: „welcher der Abglanz [seiner] Herrlichkeit ist“, damit nicht viel‐
leicht jemand, wenn er hörte, 〈dass〉 er in der Gestalt Gottes war, mutmaßen würde,
Gott sei gleichsam von sich wandelnder und veränderter Natur.
Johannes gebrauchte bei der Beschreibung der wechselseitigen Gleichewigkeit des
Wortes und des Vaters folgende Worte: „Am Anfang war das Wort“, wobei er ‚ist‘
vermied. Denn er sagte nicht: ‚Am Anfang ist das Wort und das Wort ist bei Gott‘,
sondern er sagte: „Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott
war das Wort.“ Denn es wurde gefragt, welche Seinsform des Wesens, das den Men‐
schen in sich getragen hat, zuerst da war.
Paulus aber berichtet, dass alles zugleich aufgetreten ist, [nämlich] sowohl das
fleischgewordene Wesen als auch die immer währende Unveränderlichkeit der fleisch‐
gewordenen Gottheit nach der Einung. Deswegen schrieb und rief er auch: „Seid unter
euch so gesinnt wie in [der Gemeinschaft] Jesu Christi, der, als er in der Gestalt
Gottes war, sich selbst entäußerte, indem er die Gestalt eines Knechts annahm.“ Er
sagte nicht: ‚Seid unter euch so gesinnt wie in [der Gemeinschaft] des göttlichen
Wortes, das, als es in der Gestalt Gottes war, die Gestalt eines Knechtes annahm.‘
Sondern der Apostel fasst den Namen ‚Christus‘ gleichsam als einen der Bezeichnung
beider Naturen dienenden Titel auf und bezeichnet ihn gefahrlos sowohl als eine
Knechtsgestalt als auch als Gott, nachdem er untadelig das getrennt hat, was zur Be‐
zeichnung der zweifachen Natur gesagt wird, und er predigt den Christen nicht nur,
dass Christus als Gott unveränderlich ist, sondern auch, dass er gütig ist, indem er die
Gestalt eines Knechtes annahm und [trotzdem] als das existierte, was er [vorher] war,
damit du weißt, dass er nach der Einung nicht verändert war, sondern zugleich gütig
und gerecht erschien. Denn der Tod wurde ihm um der Gottlosen willen ohne [S. 33:]
Sünde des Fleisches zuteil, und weil er diesen [Tod] um seiner Feinde willen nicht
geflohen ist, verdient er außerordentlichen Dank für [seine] Güte.
„Denn kaum jemand wird wohl“ gemäß Paulus „für einen Gerechten sterben.“ Eine
große Umsicht der Gerechtigkeit aber bedeutet es, das menschliche Geschlecht mit‐
tels eines Menschen anzunehmen und Adam [mit Gott] zu versöhnen. Denn es war
gerecht, die Natur, die einen Verstoß begangen hatte, wieder als gottgefällig loszu‐
sprechen, und es ist gerecht, die einstmals schuldige [Natur], die sich 〈nichts〉 mehr
hat zuschulden kommen lassen, freizusprechen. Denn die Natur der Menschen schul‐
dete Gott eine untadelige und standhafte Lebensweise, aber sie erlahmte bei der
Abzahlung [dieser Schuld]. Denn die Leidenschaften beherrschten die nachlässige
Seele, die bar aller Tugenden war, und zerrten sie hierhin und dorthin. Rar waren die
Leute, welche Frömmigkeit und Gerechtigkeit besaßen, und [rar waren] damals jene,
die bei der Armut jener Zeit solche Besitzer zu sein schienen oder als solche galten.
Die Schuld aber war über den ganzen Erdkreis hin [verbreitet]. „Denn alle“, heißt es,
„haben gesündigt und bedürfen der Herrlichkeit Gottes.“ Auch der Zins der Sünde
wuchs.
Was also [tat] der Herr Christus? Er sah, dass das menschliche Geschlecht sünden‐
verhaftet und bedürftig war, und bezahlte die Schuld mittels Zurücknahme, nicht kraft
seiner Macht, damit nicht die Güte die Gerechtigkeit verletzen sollte. Und der Apos‐
tel Paulus verkündigt als Zeuge dieses Sachverhalts: „Christus“, sagte er, „den Gott um
des Glaubens willen als Versöhnungsmittel in seinem Blut hingestellt hat zum Erweis
seiner Gerechtigkeit.“ Damit die gerechte und nicht ohne Urteil überall und wie auch
immer geschenkte Güte erwiesen werde, sagt er, deshalb hat Christus die Person der
schuldigen Natur angenommen und durch sie gleichsam als ein Sohn Adams die
Schuld beglichen. Denn es war höchst angemessen, dass der, der die Schuld bezahlte,
aus dem Geschlecht dessen abstammen sollte, der sie einst verursacht hatte. Einer
Frau wegen die Schuld, einer Frau wegen die Aufhebung.
Aber lerne die Schuld kennen, damit du auch [ihre] Rücknahme erkennst. Einer
Speise wegen machte sich Adam zum Schuldner einer Strafe; Christus zahlte diese ab,
indem er in der Wüste hungerte und den Rat des Teufels in Bezug auf die Stärkung
durch Speise zurückwies. Jener machte sich schuldig, gegen Gott die Göttlichkeit zu
erstreben, als er vom Teufel gehört hatte: „Ihr werdet wie die Götter sein“, und er hat
die Speise bereitwillig an sich gerissen. Aber diese hat Christus abbezahlt, als er dem
Macht versprechenden Dämon (denn [dieser] sagte zu ihm: „Dies alles werde ich dir
geben, wenn du mir zu Füßen fällst und mich anbetest“) antwortete, wobei er dessen
Worte zurückwies: „Weiche von mir, Satan. Du sollst den Herrn, Deinen Gott, an‐
beten und ihm allein dienen.“ Aus Ungehorsam heraus ist Adam durch ein Holz
Schuldner der Strafe geworden; Christus hat diese abbezahlt, als er am Holz gehorsam
wurde. Deswegen sagt auch Paulus: „Er hat den Schuldschein unserer Sünden, der uns
entgegen stand, aus unserer Mitte genommen und ihn ans Kreuz geheftet.“ Und
jedenfalls ist es Christus, der für uns zahlte; in ihm selbst aber zahlte unsere Natur die
Schuld. Denn er hatte die Person derselben Natur auf sich genommen, deren Leiden er
in seinem Leiden auflöste, weil „wir“ nämlich „die Erlösung durch sein Blut haben“,
wie von Paulus gesagt wurde. Siehe, wie jetzt unsere Natur in Christus die Sache vor
Gott gegen den Teufel vertritt und die folgenden gerechten Einwände geltend macht:
Ich werde durch Unrecht niedergehalten, gerechtester Richter. Der Teufel greift
mich feindselig an. Er nutzt meine Machtlosigkeit in offensichtlich tyrannischer Weise
aus. Nun, so sei es, er hat den ersten Adam dem Tod übergeben, weil sich für ihn die
Gelegenheit zu einer Sünde bot. Wegen welcher Schuld, oh König, hat er nun den
zweiten, den du aus der Jungfrau geformt hast, gekreuzigt? Aus welchem Grund hat er
auch Räuber mit ihm zusammen aufgehängt? Warum wurde der, ‚der keine Sünde
begangen hat und in dessen Mund keine Hinterlist gefunden wurde,unter die Feinde
gerechnet?‘ Ist [da] etwa [nicht des Teufels] verfluchenswerte Absicht erkennbar?
Offenkundig beneidet er sozusagen dein Abbild, Herr. Ohne irgendeinen Anlass geht
er auf mich los und trachtet danach, mich zu vernichten. Erweise aber du dich mir
gegenüber als ein gerechter Richter! Du hast mir des Sünders Adam wegen gezürnt,
für den ich dich, wenn du Adam ohne Sünde mit dir verbunden hast, beschwöre,
versöhnt zu sein. So sei es, jenes wegen hast du [die Menschen] der Verderbtheit
überlassen, um dieses willen [aber] lasse [sie] der Unverdorbenheit teilhaftig werden.
Ein jeder von ihnen ist von meiner [S. 34:] Natur. So wie ich an dem ersten im Tod
teilhatte, will ich auch Anteil am unsterblichen Leben des zweiten haben. Ich bin ge‐
stärkt durch unzweifelhafte und unbezwingbare Einwände. Auf jede Weise überwinde
ich den Gegner. Wenn er wegen der Verderbtheit, die mir von Adam her zuteil wurde,
einen Streit anfangen möchte, werde ich umgekehrt aus dem Leben jenes ausführlich
berichten, der keine Sünde begangen hat, und wenn jener mich des Ungehorsams
jenes [Adams] wegen anklagt, werde ich ihn des Gehorsams dieses [Christus] wegen
zum Angeklagten machen.
Des Sieges über den Teufel wegen triumphierte Christus und sagte: „Jetzt ist das
Gericht über diese Welt, jetzt wird der Fürst der Welt hinausgestoßen.“ Denn so wie
der Teufel die Schuld des Erstgeschaffenen gegen seine ganze Nachkommenschaft
bewahrt und die ursprüngliche Tat verursacht hat, so siegte die Natur, nachdem sie
Besitz ergriffen hatte von den in Christus schuldlosen Erstlingen aus dem Erdklum‐
pen, indem sie alle Kräfte gegen den Teufel aufbot, [und zwar] mit eben den Verteidi‐
gungsmitteln, die der Gegner zuvor an sich gerissen hatte. Denn gegen den Teufel
führt sie in gerechtester Weise den in Christus schuldlosen Ursprung ihrer Erstlinge
an, wenn dieser die älteren Begründungen für die von Adam her [bestehende] Schuld
geltend macht, und das ist es, was Paulus sagt: „Christus, 〈der〉 gestorben ist“ für unse‐
re Sünden, „ja der sogar auferstanden ist, der zur Rechten Gottes sitzt und der für uns
Einspruch erhebt.“Denn unsere ‚mit Christus bekleideteKörpermasse‘ erhebt Ein‐
spruch, ganz und gar frei von jeder Sünde, und wendet sich in gerechter Verteidigung
gegen unsere Strafe, die jener, der zuerst geformt wurde, vom Anfang her seinem
Geschlecht aufgebürdet hat.
Dies ist die passende Gelegenheit für den angenommenen Menschen, als Mensch
durch das Fleisch die Verderbtheit aufzulösen, die durch das Fleisch entstanden ist.
Dieses Menschen Begräbnis erfolgt am dritten Tag, nicht [das] der Gottheit. Dieses
[Menschen] Füße wurden mit Nägeln gehalten. Diesen [Menschen] hat der Heilige
Geist im Mutterleib geformt. Über dieses Fleisch sagt der Herr zu den Juden: „Zer‐
stört diesen Tempel, und ich werde ihn innerhalb von drei Tagen [wieder] aufrichten.“
Bezeichne etwa ich alleine Christus als zweifach? Nennt er sich etwa nicht selbst
ebenso einen zerstörbaren Tempel wie einen aufrichtenden Gott? Wenn es aber Gott
wäre, der zerstört wurde (diese Gotteslästerung soll auf das Haupt des Arius um‐
gelenkt werden), hätte der Herr gesagt: ‚Zerstört diesen Gott, und innerhalb von drei
Tagen wird er [wieder] aufgerichtet werden.‘ Wenn aber Gott getötet im Grab läge,
[dann] hätte Christus gelogen, als er sagte: „Was sucht ihr mich zu töten, den Men‐
schen, der ich euch Wahres gesagt habe?“Aber Christus ist nicht ein bloßer 〈Mensch〉,
oh du Verleumder, sondern zugleich Mensch und Gott. Wenn er aber nur als Gott
subsistierte, müsste er gemäß Apolinarios sagen: ‚Was sucht ihr mich zu töten, den
Gott, der ich euch die Wahrheit gesagt habe?‘ Nun aber sagt er: „Was sucht ihr mich,
den Menschen, zu töten?“ Er, der mit Dornen gekrönt wurde, er, der sagt: „Gott,
mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, er, der einen drei Tage währenden Tod
erduldet hat.
Ich bete aber diesen zusammen mit der Gottheit als einen an der göttlichen Au‐
torität Mitwirkenden an. Denn die Schrift sagt: „Es sei offenbar, Brüder, dass uns
durch Christus die Vergebung der Sünden verkündigt wird.“ Ich verehre [ihn]
gleichsam als das Instrument der Güte des Herrn. „Denn seid“, sagt [die Heilige
Schrift], „gütig gegeneinander, habt Mitleid [und] 〈vergebt〉, so wie auch Gott uns in
Christus vergeben hat.“ Ich verehre ihn gleichsam als die Kurie der Ratschlüsse
Gottes. „Ich will nämlich, dass ihr zur Erkenntnis des Geheimnisses Gottvaters und
Christi gelangt, in dem alle Schätze der Weisheit und des Wissens verborgen liegen.“
Ich blicke zu ihm empor als zu dem, der sich bei uns durch eine Formel für Gott ver‐
bürgt. „Der mich geschickt hat“, sagt er, „ist wahrhaftig und ich sage das, was ich von
ihm selbst gehört habe.“ Ich preise ihn glücklich als den Bürgen des ewigen Friedens.
„Denn er selbst“, sagt [die Schrift], „[ist] unser Friede, der beides zu einem gemacht
hat [und] die in der Mitte stehende Mauerwand, die Feindschaften, in seinem Fleisch
durchbrochen hat.“ Ich verehre [ihn] als das Versöhnungsmittel des göttlichen Zorns.
[S. 35:] Es heißt: „Gott hat Christus hingestellt als Versöhnungsmittel des Glaubens
um des Glaubens willen in seinem Blut.“ Ich liebe und verehre [ihn] als den Anfang
der Unsterblichkeit der Sterblichen. „Er selbst“, sagt nämlich [die Schrift], „ist das
Haupt des Leibes der Kirche, [er], welcher der Anfang ist, der Erstgeborene von den
Toten.“ Ich umarme [ihn] als ein Spiegelbild der widerstrahlenden Gottheit. Denn
„Gott“, sagt [die Heilige Schrift], „war in Christus, um die Welt mit sich zu ver‐
söhnen.“ Ich will ihn anbeten als den beseelten Purpur des Königs. „In der Gestalt
Gottes eingesetzt“, sagt nämlich [die Schrift], „hat er sich selbst entäußert, hat die
Gestalt eines Knechts angenommen und erschien seinem Äußeren nach als ein
Mensch.“ Ich lobe [ihn] als die Hand der Gottheit, die mich vom Tod ins Leben reißt.
Denn „wenn ich“, sagt er, „erhoben werde von der Erde, dann werde ich alle zu mir
hinziehen“, und wer jener [ist, der] erhöht wird, zeigt der zuverlässige [Evangeli‐
en]schreiber folgendermaßen: „Dies sagte er nämlich um anzuzeigen, welchen Tod er
sterben werde.“ Ich bewundere [ihn] als die Eingangstür zum Göttlichen. Denn „ich
bin die Tür“, sagt er. „Wer durch mich hineingegangen ist, [der] wird befreit werden
und eintreten und hinausgehen und eine Wohnung finden.“Ich bete [ihn] als das
Abbild der allmächtigen Gottheit an. Denn „Gott hat ihn hoch erhoben“, sagt [Pau‐
lus], „und ihm [jenen] Namen gegeben, der über allen Namen steht, damit sich in
seinem Namen jedes Knie der Himmlischen, der Irdischen und der Unterirdischen
beuge.“
Des Verborgenen wegen bete ich an, was den Augen sichtbar ist. Gott ist un‐
trennbar. Ich trenne nicht die Würde dessen, der sichtbar ist, denn er ist untrennbar.
Ich trenne die Naturen, aber ich verbinde die Verehrung. Nicht aus sich selbst heraus
ist Gott, was im Mutterleib geformt wurde, nicht aus sich selbst heraus ist Gott, was
vom Heiligen Geist geschaffen wurde, nicht aus sich selbst heraus ist Gott, was im
Grab beigesetzt wurde. Denn sonst wären wir offensichtlich Verehrer eines gestorbe‐
nen Menschen. Aber weil ja Gott in dem Angenommenen [ist], wird um des Anneh‐
menden willen der, welcher angenommen [und] gleichsam mit dem Annehmenden
verbunden wurde, Gott genannt. Deswegen schrecken auch die Dämonen vor dem
Wort ‚gekreuzigtes Fleisch‘ zurück, weil sie nämlich wissen, dass Gott mit dem
gekreuzigten Fleisch verbunden war, aber nicht mitgelitten hat. Deshalb wird er auch
als Richter kommen, der sich dem Blick [der Menschen] ausgesetzt hat, weil er ja mit
der allmächtigen Gottheit verbunden ist.„Dann“ nämlich, sagt [der Evangelist], „wird
das Zeichen des Menschensohnes am Himmel erscheinen und sie werden den Men‐
schensohn auf den Wolken des Himmels kommen sehen mit großer Kraft und
Herrlichkeit.“ Denn so wie sich ein König nach einem errungenen Sieg mit den
Waffen in den Städten zeigt, mit denen er den Feind im Krieg besiegt hat, und will,
dass er mit eben diesen gesehen wird, so wird auch der Herr und König aller mit
[seinem] Kreuz und Fleisch in seine Schöpfung kommen, um mit den Waffen sichtbar
zu sein, mit denen er die Gottlosigkeit besiegt hat, und er wird den Erdkreis in der
Gestalt eines Menschen mit allmächtiger Kraft richten gemäß der Verkündigung des
Paulus, der sagt: „Denn Gott, der über die Zeiten der Unwissenheit hinwegsah, hat
allen Menschen, die jetzt leben, befohlen, Buße zu tun. Denn er hat den Tag bestimmt,
an dem er den Erdkreis richten werde in einem Mann, durch den er seinem Beschluss
gemäß allen den Glauben gewährte, indem er ihn von den Toten erweckte.“ Dies wur‐
de deshalb gesagt, damit niemand argwöhne, dass die Gottheit gestorben sei.
Auch wenn du das ganze Neue Testament vollständig am Stück durchforschst,
wirst du nirgendwo in ihm finden, dass der Tod Gottes beschrieben ist, sondern dass
[der Tod] entweder dem Sohn oder Christus oder dem Herrn zugeschrieben wird.
Denn [die Begriffe] ‚Christus‘, ‚Sohn‘ und ‚Herr‘, die in den Schriften für den Einge‐
borenen verwendet werden, dienen der Bezeichnung der zwei Naturen, zuweilen der
Gottheit oder der Menschheit, zuweilen [aber auch] beider zugleich. Wenn Paulus
zum Beispiel in seinen Schriften verkündigt: [S. 36:] „die wir, als wir [noch] Feinde
waren, mit Gott durch den Tod seines Sohnes versöhnt wurden“, zeigt er dessen
Menschheit. Wenn er allerdings zu den Hebräern sagt: „Gott hat zu uns in [seinem]
Sohn gesprochen, durch den er auch die Weltzeiten geschaffen hat“, zeigt er auch die
Gottheit des Sohnes. Denn das Fleisch, das erst nach vielen Zeitaltern geschaffen
wurde, ist nicht der Schöpfer der Weltzeiten. Siehe, [dies ist] ein angemessener Beweis
für die Benennung des göttlichen und des menschlichen Wesens des Gottessohnes.
Wir fragen jetzt, ob dieser Name, das heißt ‚Christus‘, auch als Sohn begriffen wird
und ob eben dieser [Begriff auch] dazu dienen kann, beide [Naturen] zu bezeichnen.
„Jesus Christus“, sagt [die Heilige Schrift], „gestern und heute, derselbe auch in Ewig‐
keit.“ Denn so wie er als Gott und Mensch subsistiert – nach Paulus ein- und der‐
selbe –, ist er sowohl ganz neu als auch von Ewigkeit her. Als Mensch nämlich ist er
unlängst [entstanden], als Gott ist er von der Ewigkeit her.
Es wurde dir also gezeigt, dass der Name ‚Christus‘ bald den Tempel, bald den in
jenem wohnenden Gott bezeichnet. Prüfe, wo [der Begriff] ‚Herr‘ auch der Person
des Sohnes zugeschrieben wird! Dieser bezeichnet freilich bald den Menschen, bald
den Gott. „Kommt“, sagt [die Heilige Schrift], „[und] seht den Ort, wo der Herr
niedergelegt wurde.“ Und wiederum, als die Frau den Leib des Herrn beweinte, als ob
er von den Juden gestohlen und weggebracht worden sei, sagt die Schrift: „Sie haben
meinen Herrn weggebracht.“ Und Paulus sagt zu den Galatern: „Von den anderen
Aposteln sah ich keinen außer Jakobus, den Bruder des Herrn.“ Und wiederum [sagt
er] auch zu den Korinthern: „Sooft ihr dieses Brot esst und diesen Kelch leert,
verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er [dereinst] kommt.“ Und wiederum: „Herr,
wie ich sehe, bist du ein Prophet.“ All dies sind Beweise für die Fleischwerdung des
Herrn, weil es nicht das göttliche Wort war, das im Grab niedergelegt wurde (denn wie
hätte [der] auferstehen können, „der das Universum stützt mit dem Wort seiner
Macht“,wenn er nach Arius [im Grab] lag?), aber auch [weil] die Frauen nicht das
Wesen Gottes beweinten, als sei dies durch einen Diebstahl vom Grab weggeschafft
worden (denn wer würde argwöhnen, dass die Gottheit für diebische Hände greifbar
ist?), und auch weil die Gottheit keinen Bruder Jakobus hatte und wir nicht den Tod
des göttlichen Wortes verkündigen, wenn wir vom Leib und Blut des Herrn kosten
(denn die Natur Gottes hat das Opfer auf sich genommen, nicht wurde sie selbst
durch ein Opfer geopfert), und [schließlich] weil Gott kein Prophet ist, sondern der
Geber der Weissagung, so dass an dieser Stelle, wie ich gesagt habe, ‚Herr‘ Ausdruck
für das Fleisch ist, das gewissermaßen die Würde des Herrn besitzt, das aber keines‐
wegs durch Mischung oder Beimischung in die Substanz der Gottheit übergegangen
ist. Anderswo aber verweist ‚Herr‘ auf die Gottheit, so wie es bei jenem [Ausspruch]
der Fall ist: „Einer [ist] Gott, der Vater, von dem alles [ist], und einer [ist] der Herr
Jesus Christus, durch den alles [ist].“ Denn Schöpfer von allem ist Christus von der
Gottheit, nicht von der Menschheit her, die, wie es erwiesen ist, [erst] nach der Schöp‐
fung geschaffen wurde. Anderswo aber dient, wie ich gesagt habe, ‚Herr‘ zur Bezeich‐
nung beider Dinge, so wie es [hier der Fall] ist: „Herr Jesus, mögest du ihnen dies
nicht als Sünde anrechnen.“ Und: „Viele werden an jenem Tage zu mir sagen: Herr,
Herr, haben wir etwa nicht in deinem Namen die Dämonen vertrieben?“, und Paulus:
„[die Krone der Gerechtigkeit], die mir der Herr, der gerechte Richter, an jenem Tag
geben wird, nicht nur mir, sondern auch allen, die seine Ankunft fromm hochachten.“
Hast du gesehen, wie Christus sowohl Sohn als auch Herr [ist]? Wenn die Schrift
des Eingeborenen gedenkt, will sie, dass es Begriffe bald für die Bezeichnung der
Menschheit, bald der Gottheit, bald aber beider [Naturen] gibt. Warum also ver‐
mischst du, was unvermischt ist? Warum beziehst du den Begriff ‚Gott‘ auf den Tod
[Christi], der von der Heiligen Schrift nirgends bei der Erwähnung [seines] Todes
angeführt wird? Wie kommst du in [deiner] nichtigen Vorstellung zu dem Urteil, die
Gottheit sei geboren und gestorben, wenn du hörst, wie Paulus ausruft: „[Denn] Gott
[hat den Tag bestimmt, an dem er die Welt richten werde] in einem Mann, [durch den
er seinem Beschluss gemäß allen den Glauben gewährte,] indem er ihn von den Toten
erweckte“? {Paulus} erklärt aber richtig, dass dieser Mann, der sichtbar war, auch als
Richter kommen werde, weil ja [S. 37:] der Teufel den Menschen, der von diesem
[Gott] als [sein] Abbild geformt und mit der Herrschaft über die Erde ausgezeichnet
war, zum Fraß für die Würmer gemacht hat. Christus kommt in der Zukunft mit all‐
mächtiger 〈Kraft〉 in Menschengestalt, damit eben der Teufel, der mit allen zusammen
auch selbst unter der Herrschaft Gottes stand, durch [diesen] Beweis erkenne, dass
‚der Mensch‘, der wahrhaft ‚zum Abbild und Ebenbild Gottes geschaffen‘ und als
König und Herr der Erde eingesetzt wurde, durch Steigerung [seiner] Würde auch
zum Himmelreich erhoben wurde.
Aber euer Verlangen zu hören übersteigt [die Möglichkeiten] unserer Predigt, und
nachdem ich eingestanden habe, dass ich erschöpft bin, fliehe ich in die Schweigsam‐
keit, obwohl ich wünsche, stets durch euer Verlangen zu hören bezwungen zu werden.
Deshalb wollen wir die Annahme der Menschheit des Herrn verehren, das Geheimnis
seiner Fleischwerdung in unaufhörlichen Hymnen preisen, die Jungfrau als Empfän‐
gerin Gottes [aber], wenn wir uns Gedanken über Gott machen, nicht zusammen mit
Gott zum Göttlichen erheben. Ich sage θεοδόχος, nicht θεοτόκος, weil ich den
Buchstaben Chi nicht als Kappa zum Ausdruck bringen möchte. Denn Gottvater ist,
um es ihnen selbst gemäß zu sagen, als einziger θεοτόκος, das heißt Erzeuger Gottes,
dem [auch als einzigem] diese zusammengesetzte Bezeichnung zukommen soll. Wir
wollen also die mit der unsichtbaren verbundene sichtbare Gestalt zusammen mit
Gott zum Göttlichen rechnen. Τὴν φορουμένην τῷ φοροῦντι συντιμήσωμεν φύσιν, das
heißt, dass wir die Natur, welche die Hülle Gottes ist, zusammen mit dem, der von ihr
Gebrauch macht, verehren wollen, gleichsam als einen Strahl der Gottheit, um es so
auszudrücken. Wir wollen die Fleischwerdung ehrfürchtig betrachten wie ein von der
göttlichen Würde untrennbares Abbild [von ihr], wie ein Bild des Verborgenen oder
das Standbild eines Richters. Obwohl wir die Naturen trennen, wollen wir ihre
Verehrung verbinden. Wir wollen den zweifachen [Christus] bekennen und ihn anbe‐
ten als einen. Denn [obwohl] zweifach hinsichtlich der Naturen, ist er [doch] einer
gemäß der Einheit. Wenn ein Häretiker dir im Namen der Kirche deinen Gott als ge‐
storben vorhält, entgegne du zornig auf das Gesagte: ‚Gott ist es, der den großen
Hirten der Schafe von den Toten auferweckt hat‘, nicht er selbst wurde getötet und
emporgehoben. Wenn ein Jude sagt, dass du einen Menschen verehrst, führe als
Antwort die apostolische Tradition an: „Gott war in Christus, um die Welt [mit sich]
zu versöhnen.“ Wenn ein Heide nach dem Grund für die Annahme der Menschheit
〈forscht, indem er fragt, auf welche Weise〉 durch die Annahme 〈der Menschheit〉 die
Vergebung der Sünden erfolge, antworte ihm [mit den Worten], die von Paulus stam‐
men: „Weil ja der Tod durch einen Menschen [gekommen ist], ist auch durch einen
Menschen die Auferstehung von den Toten [gekommen]. So wie in Adam alle sterben,
so werden in Christus alle lebendig werden.“ Ihm selbst [sei] Ruhm in alle Ewigkeit.
Ende.