CV1: Kyrills Brief an die ägyptischen Mönche

Inhalt: Da ihm zu Ohren gekommen ist, dass sich in Ägypten die Lehre verbreitet, Maria, die Mutter Jesu, dürfe nicht als Gottesgebärerin bezeichnet werden, wendet sich Kyrill in einem Brief an die Mönche des Landes. Er versucht, dieser Tendenz entgegenzuwirken, indem er auf der Grundlage des Nizänums (Kap. 6) anhand zahlreicher Bibelstellen mit großem rhetorischen Aufwand darlegt, dass die Mutter Christi den ihr in Abrede gestellten Titel vollkommen zu Recht trage.

Edition: Collectio Vaticana 1, ACO I,1,1 S. 10,1–23,22; ältere Edd.: Labbé/Cossart (1671–1672), Bd. 3 Sp. 20–45; Coleti (1728–1734), Bd. 3 Sp. 585–613; Mansi, Bd. 4 Sp. 588–617; PG 77, Sp. 9–40

Verzeichnisnummern: CPG 5301

Verfasser: Kyrill von Alexandria

Datierung: Frühjahr 429

Lat. Übersetzungen: Collectio Casinensis 1, ACO I,3 S. 3–16

Literatur: Liébaert (1970), S. 35–48; McGuckin (1994), S. 245–261; Graumann (2002a), 280–299

(18) Der Logos Gottes nahm also die Nachkommenschaft Abrahams an sich und
ist des Blutes und Fleisches teilhaftig geworden,
indem er sich den von einer Frau
[geborenen] Körper zu eigen machte,
auf dass er nicht nur in seiner Existenz als Gott,
sondern zudem auch noch als wie wir gewordener Mensch aufgrund der Einung wahr­
genommen werde. Daher besteht der Immanuel dem Bekenntnis nach aus zwei
Dingen, aus Gottheit und Menschheit. Dennoch ist er ein Herr Jesus Christus und
wahrhaftig ein Sohn, Gott und zugleich auch Mensch; und nicht Mensch, der in
gleicher Weise Gott geworden wie jene, denen dies aus Gnade widerfahren ist, viel­
mehr wahrer Gott, der sich unseretwegen in menschlicher Gestalt gezeigt hat. Bestär­
ken wird uns in Bezug darauf aber der Göttliches kündende Paulus, wenn er sagt: „Als
sich aber die Zeit erfüllt hatte, sandte Gott seinen Sohn aus, entstanden aus einer Frau,
dem Gesetz unterworfen, auf dass er die unter dem Gesetz Stehenden loskaufe, damit
wir die Sohnschaft empfangen.“

Wer ist demnach der unter das Gesetz Ausgesandte und von einer Frau, wie ich
sagte, Geborene, wenn nicht wiederum der, der als Gott über den Gesetzen [steht],
aber nachdem er den Namen ‚Mensch‘ angenommen hat, auch dem Gesetz unterwor­
fen worden ist, damit er den Brüdern in jeder Beziehung gleich werde?Und er bezahlt
daher zwar zusammen mit Petrus
nach dem Gesetz des Mose die Doppeldrachme. 
Dass er aber als Sohn und dem Gesetz überlegener Gott frei ist, auch wenn er als
Mensch dem Gesetz unterworfen ist, lehrte er, als er sagte: „Von wem nehmen die
Könige der Erde Zensus oder Steuern? Von den eigenen Söhnen oder von den Frem­
den?“ Als Petrus aber sagte, von den Fremden, fügte er selbst hinzu: „Also sind die
Söhne frei.“

Wenn es also eigentlich klar ist, dass der aus Gott [gezeugte] Logos nicht Christus
genannt werden kann, wenn er außerhalb des Fleisches und gleichsam für sich allein
existiert, und die Benennung ihm vielmehr dann gebührt, wenn er Mensch geworden
ist,
wohlan, lasst uns, indem wir Glaubenszeugnisse aus den heiligen Schriften aus­
wählen, nachweisen, dass er der Natur nach Gott ist, auch wenn er zu einer Einung
zusammengeführt ist, ich meine die Einung mit dem ihm eigenen Fleisch. Wenn sich
dies als wahr erweist, kann die heilige Jungfrau auch völlig zu Recht Gottesgebärerin
von uns genannt werden.

18 | 1–2 Der … geworden]
18 | 2–3 indem … machte]

Vgl. oben CV1,12,27.

18 | 9 wahrer Gott]

Vgl. oben CV1,6,4.

18 | 10–13 Als … empfangen]

Gal 4,4f.

18 | 17 damit … werde]

Vgl. Hebr 2,17 und oben CV1,17,16.

18 | 17–18 Und … Doppeldrachme]

Vgl. Mt 17,24–27.

18 | 18 nach … Doppeldrachme]

Vgl. Ex 30,11–16.

18 | 20–23 Von … frei]

Vgl. Mt 17,25f.

18 | 24–27 dass … ist]

Zu Äußerungen des Nestorius, die als im Widerspruch zu dieser Aussage stehend gedeutet werden könnten, vgl. z.B. Loofs, Nestoriana S. 272,13–273,17 = CV166,II,1,1 – 16, ACO I,1,6 S. 34,20–31 (Dok. 25); S. 273,18–274,17 = CV166,II,2,1 – 14, ACO I,1,6 S. 36,21–32. Aller­dings gehören die entsprechenden Exzerpte, wenn Loofs’ Rekonstruktion richtig ist, beide einer Predigt an, die wahr­scheinlich erst als Reaktion auf den hier kommentierten Brief entstanden ist.

Die Akten des Konzils von Ephesus 431. Übersetzung, Einleitung, Kommentar

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