(4) Ich bin also verwundert, dass überhaupt einige im Zweifel darüber sind, ob die
heilige Jungfrau denn nun Gottesgebärerin genannt werden könne oder nicht. Denn
wenn unser Herr Jesus Christus Gott ist, warum die Jungfrau, die [ihn] geboren hat,
nicht Gottesgebärerin? Diesen Glauben haben uns die Göttliches kündenden Jünger
überliefert, selbst wenn sie den Ausdruck nicht erwähnt haben. So zu denken haben
wir von den heiligen Vätern gelernt. Und wenigstens unser Vater ruhmreichen Ange‐
denkens Athanasius, der den Thron der Kirche von Alexandria auf eine Zeit von vollen
sechsundvierzig Jahren in der Summe schmückte, der den Spitzfindigkeiten der
gottlosen Häretiker ein unerschütterliches apostolisches Urteil entgegensetzte, der
mit seinen eigenen Schriften die Welt unter dem Himmel wie mit wohl duftendem Öl
erfreute und unter allseitiger Bestätigung der Richtigkeit und Genauigkeit der Lehr‐
sätze die bekannte Schrift über die uns heilige und wesenseine Trinität verfasst hat,
nennt in der dritten Rede an zahlreichen Stellen die heilige Jungfrau Gottesgebärerin.
Ich werde mich somit notgedrungen seiner Äußerungen bedienen, die Wort für Wort
folgendermaßen lauten:
„Es ist also hier Ziel und Eigenart der Heiligen Schrift, wie wir schon oft gesagt
haben, dass die Verkündigung, die sich auf den Retter bezieht, in sich zweifach ist,
dass [nämlich] der Sohn immer Gott war und ist, da er Logos, ‚Abglanz‘ und ‚Weis‐
heit‘ des Vaters ist, und dass er später, indem er unseretwegen Fleisch von der
gottgebärenden Jungfrau Maria angenommen hat, Mensch geworden ist.“
Und später wiederum: „Viele zeigen sich also heilig und rein von aller Sünde.
Jeremia wurde aber schon vom Mutterleib aus geheiligtund Johannes hüpfte, als er
noch [im Leib] getragen wurde, vor Freude beim Klang der Stimme der Gottesgebä‐
rerin Maria.“
Glaubwürdig ist also der Mann, und es gebührt sich, ihm zu vertrauen, da er nichts
gesagt hätte, was sich nicht mit den heiligen Worten vereinbaren lässt. Denn wie sollte
dieser Glänzende und Berühmte wohl die Wahrheit verfehlen, der auch in eben der
heiligen großen Synode (in derjenigen, die seinerzeit in Nizäa einberufen worden ist,
meine ich) von allen bewundert wurde. Er verwaltete nämlich noch nicht den Bi‐
schofsstuhl, sondern zählte zu den [gemeinen] Klerikern. Indes wurde er aufgrund
seines Scharfsinns, seiner übrigen Trefflichkeit und seines ungeheuer feinsinnigen und
unvergleichlichen Verstandes damals von dem Bischof seligen Angedenkens Alexander
mitgenommen, war aber dem Alten verbunden wie ein Sohn dem Vater, indem er [ihn]
zu allem Zuträglichen leitete und [ihm] den Weg bei jeder einzelnen Aufgabe auf
vortreffliche Weise wies.