(4) Ich will Deiner Gottesfurcht jedoch weder in Richtung eines anstößigen Wan‐
dels der Ausdrucksweise zureden noch einer unbedachten Widersprüchlichkeit, wie
man sagen könnte. Weil von dir vielmehr oft vor vielen gesagt worden ist, wie ich
erfahren habe, dass du, während du im Hinblick auf dieses fromme Denken nicht vom
Wege abweichst, allein den Begriff ablehnst, wenn dir aber einige unter den in der
Kirche Angesehenen auch dies vorhalten, du es ohne Zweifel nicht verwehrst, dass
man die heilige Jungfrau auch Gottesgebärerin nennt, aus diesem Grund rege ich dich
zu dem an, was dir eigen ist, indem ich dazu aufrufe zu zeigen, was ich erfahren habe,
dass du [nämlich] in deinem Denken nicht fehlgehst, sondern, indem du einer Sache
einen Begriff und eine Bezeichnung zugestehst, die von vielen unter den Vätern befür‐
wortet, ausgesprochen und geschrieben worden ist, auch keinen Begriff gänzlich von
dir weist, der von einem Denken zeugt, welches einer frommen Seele entspricht.
Diese Bezeichnung wurde nämlich von keinem der kirchlichen Lehrer zurückge‐
wiesen. Denn jene, die sie verwendeten, waren zahlreich und bekannt, und jene, die sie
nicht verwendeten, griffen diejenigen, die sie verwendeten, nicht an. Und wir über‐
sehen, wie es scheint, aufgrund einer übertriebenen Genauigkeit, die ihren Blick allein
auf die fehlerhafte häretische Meinung richtet, törichterweise das aus keinem zwin‐
genden Grund geplagte Gewissen der Brüder, wenn wir eine Bezeichnung ablehnen,
deren Sinn wir mit gutem Recht akzeptieren. Wenn wir nämlich das, was durch sie
vermittelt wird, nicht akzeptieren, kommt am Ende heraus, dass wir uns im Hinblick
auf viele Dinge täuschen, vielmehr sogar in Gefahr geraten, wenn es um den unaus‐
sprechlichen Heilsplan des einziggeborenen Sohnes Gottes geht. Denn aus der Auf‐
hebung dieser Bezeichnung oder eben aus dem, was durch sie vermittelt wird, wird
unmittelbar folgen, dass weder derjenige, der den Heilsplan für uns auf sich genom‐
men hat, Gott wäre, noch der Gott-Logos, indem er sich zur ‚Gestalt eines Knechtes‘
hin entäußert hätte, im Hinblick auf uns ein unsagbares Maß an Menschenliebe
gezeigt hätte, wiewohl die göttlichen Schriften in besonderer Weise die gegenüber uns
[gezeigte] Menschenliebe bekräftigen, wenn sie den vorzeitigen, gleich ewigen und
einziggeborenen Sohn Gottes ohne Leid für den Logos zur Geburt durch eine Jung‐
frau herabführen nach dem, was von dem göttlichen Apostel gesagt wurde: „Gott ent‐
sandte seinen Sohn, entstanden aus einer Frau“, welcher dabei deutlich auf die unaus‐
sprechliche Geburt des Einziggeborenen durch eine Jungfrau, wie ich zuvor sagte,
hinweist. Wenn die Jungfrau aufgrund der Geburt von den Vätern angesprochen wird,
wie sie nun auch angesprochen wird, [eben] mit diesem Namen, weiß ich nicht, wes‐
wegen wir diese unnötige Untersuchung (mit mir als Mitwissendem), die sich gegen
uns selbst und den kirchlichen Frieden richtet, wie du siehst, unternommen haben. Es
liegt nämlich keine Gefahr darin, dasselbe zu sagen und zu denken wie die innerhalb
der Kirche Gottes angesehenen Lehrer, deren Namen aufzuzählen müßig wäre. Nichts‐
destoweniger muss man sie kennen, da wir darauf, dass man selbst und wir alle ihre
Schüler sind, stolz sind.