CV149: Kyrills Rede an die Augustae über den Glauben

Inhalt: Kyrill richtet sich in seinem Schreiben nach seiner Rede ‚Ad dominas‘ (Dok. 40) ein zweites Mal an von ihm als ‚Kaiserinnen‘ angesprochene Adressatinnen, um diese in ihrem rechten Glauben zu bestärken. Zu diesem Zweck führt er, geordnet nach verschiedenen Glaubensfragen, eine Vielzahl von Zitaten aus den neutestamentlichen Schriften an, mehrheitlich solche, die auch eine Interpretation im Sinne einer nestorianischen Christologie zulassen. Diese kommentiert er dann jeweils unmittelbar im Anschluss und deutet sie dabei entsprechend seiner eigenen Position aus, die nachdrücklich die Einheit Christi betont.

Edition: Collectio Vaticana 149, ACO I,1,5 S. 26,2–61,31; ältere Edd.: PG 76, Sp. 1336–1420; Pusey (1965 [= 1868–1877]), Bd. 7 S. 263–333

Verzeichnisnummern: CPG 5220

Verfasser: Kyrill von Alexandria

Datierung: 430

Lat. Übersetzungen:  –

Literatur: van Loon (2009), S. 454–474

(44) „Meine Seele ist jetzt aufgewühlt. Doch was soll ich sagen? Vater, errette mich 
aus dieser Stunde? Ich bin doch deswegen bis zu dieser Stunde gekommen. Vater, ver­
herrliche deinen Sohn.“
Und dann wieder: „Er fing an, sich zu grämen und zu ängs­
tigen
und zu sagen:‚Meine Seele ist betrübt bis an den Tod.‘“ Und dann wieder: „Und
Jesus rief mit lauter Stimme:
‚Vater, in deine Hände übergebe ich meinen Geist.‘“Was
sagen nun wohl jene, die der Lehre des Apolinarios erlegen sind und sich entschlossen
haben, das zu denken, was ihm richtig erscheint, wobei sie sich positionieren und be­
haupten, dass der mit dem Logos geeinte Tempel ohne Seele und Geist sei,
wenn uns
die heiligen Evangelisten derartige [Aussagen] über unser aller Retter Christus aufge­
zeichnet haben? Schließlich ist die göttliche und höchste Natur des Logos billiger­
weise vollkommen unempfindlich gegenüber Furcht, Gram und Anschuldigungen, die
sich auf Verzagtheit beziehen. Sie wird es nämlich gänzlich von sich weisen, überhaupt
mit diesen Dingen zu tun zu haben, und Empfindungen wie die unseren in keiner
Weise zulassen. Andererseits jedoch nimmt ein Leib ohne Seele und Geist wohl keinen
Gram an, sondern nimmt vermutlich nicht einmal etwas Trauriges wahr oder erfährt
im Voraus Furcht vor Dingen, die sich voraussichtlich ereignen werden. Solche Dinge
empfindet nach Meinung aller, wie ich glaube, wohl die vernunftbegabte Seele, die mit
dem Verstand das, was schon gegenwärtig ist, und das, was sich zudem noch ereignen
wird, betrachtet.

Inwiefern sagt nun also der Immanuel: „Meine Seele ist jetzt aufgewühlt“? Inwie­
fern
fing er an, sich zu grämen und zu ängstigen? Oder welchen Geist hat er gar in die
Hände Gottes, des Vaters, übergeben, wenn sowohl der Gottheit die Sache fremd ist
als auch sicherlich dem unbeseelten Fleisch allein? Es ist also offensichtlich, dass der
Einziggeborene Mensch geworden ist, [und zwar] nicht, indem er einen Leib ohne
Seele und Geist angenommen hat, sondern vielmehr einen, der mit einer vernunft­
begabten Seele beseelt ist, die im Hinblick auf die ihr entsprechende Stellung vollendet
ist. Und wie er sich alles, was zum eigenen Leib gehört, zu eigen macht, so auch, was
zur Seele gehört. Es musste nämlich sichtbar sein, dass er in jeder fleischlichen sowie
seelischen Handlung
wie wir geworden ist. Wir aber bestehen aus vernunftbegabter
Seele und Leib. Wie er aber dem eigenen Fleisch mit Rücksicht auf den Heilsplan ge­
stattet hat, zuweilen auch das [ihm] Eigentümliche zu erfahren, so gestattete er wiede­
rum auch der Seele, das zu ihr Gehörende zu erfahren, und er bewahrte in jedem Fall
das Maß der Entäußerung,
obwohl er von Natur aus Gott ist und über aller Schöpfung
steht.
Er übergibt aber Gott, dem Vater, seinen eigenen Geist, nämlich die mit ihm
geeinte Seele, um uns auch dadurch wieder Gutes zu tun. Denn die Seelen der Men­
schen wurden, wenn sie sich in früherer Zeit von den Leibern befreiten, in die unter­
irdischen Winkel hinabgeschickt, wo sie die ‚Schatzkammern des Todes‘ füllten. Nach­
dem Christus aber den eigenen Geist dem Vater übergeben hatte, gestaltete er diesen
Weg für uns neu. Wir werden nämlich nicht in den Hades gehen. Woher auch? Wir
werden ihm vielmehr auch in dieser Hinsicht folgen, und wenn wir [ihm als] ver­
trauenswürdigem Schöpfer unsere eigenen Seelen übergeben,
werden wir voll guter
Hoffnung sein. Christus aber wird alle erwecken.

44 | 1–3 Meine … Sohn]

Joh 12,27f.

44 | 1 Meine … aufgewühlt]

Vgl. Ps 6,4.

44 | 1 errette mich]

Vgl. Ps 6,5.

44 | 3–4 Er … Tod]

Mt 26,37f.

44 | 4 und … sagen]

Bei Matthäus wird die folgende wörtliche Rede mit dem neuen Einsatz τότε λέγει αὐτοῖς angeschlossen.

44 | 4 Meine … betrübt]

Vgl. Ps 41(42),6.

44 | 4–5 Und‌² … Geist]

Lk 23,46.

44 | 5 Vater … Geist]

Vgl. Ps 40(41)6.

44 | 5–29 Was … Handlung]

Zit. im Florilegium Cyrillianum 174.

44 | 5–8 Was … sei]

Vgl. oben Anm. zu CV149,9,17 – 18.

44 | 20 Meine … aufgewühlt]

Vgl. oben CV149,44,1.

44 | 21 fing … ängstigen]
44 | 30–34 Wie … steht]

Auszugsweise zit. in der Doctrina Patrum S. 99,16f.

44 | 30–33 Wie … Entäußerung]

Zit. im Florilegium Cyrillianum 175.

44 | 37 Schatzkammern … Todes]

Spr 7,27.

44 | 40–41 ver­trauenswürdigem … übergeben]

Vgl. 1 Petr 4,19.

Die Akten des Konzils von Ephesus 431. Übersetzung, Einleitung, Kommentar

Impressum

Förderung und Partner

  • Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
  • Universität Bonn
  • Universität Bern
Logo DFG
Logo Universität Bonn
Logo Universität Bern