(11) Ich verehre ihn als Abbild der alles beherrschenden Gottheit. „Er hat ihn näm‐
lich gewaltig erhöht und ihm einen Namen verliehen, der über jedem Namen steht,
auf dass sich im Namen Jesu Christi jedes Knie beuge, himmlischer, irdischer und
unterirdischer Wesen, und jede Zunge offen bekenne, dass Jesus Christus Herr ist.“
Und wer soll nun wieder unter dem verstanden werden, den er, wie er zumindest
glaubt, zu verehren bekennt und aufgrund der Gleichheit mit Gott zu ehren vorgibt,
wenn nicht auf jeden Fall jener, den er uns eben als – er weiß ja nicht, was er sagt –
Vertreter oder eben Mitwirkenden der göttlichen Autorität nannte,den er, ohne
darüber nachzudenken, mit der Gottheit verehren zu müssen meinte, als ob er ein
anderer sei, der für sich neben dem Logos Gottes steht?Er sagt, dass er von Gott, dem
Vater, erhöht worden sei, und darüber hinaus einen Namen erhalten habe, ‚der über
jedem Namen steht‘, auf dass sich ihm ‚jedes Knie beuge, himmlischer, irdischer und
unterirdischer Wesen, und jede Zunge offen bekenne, dass Jesus Christus Herr ist‘.
Wenn der Vater ihn also, obwohl er auch vor der eben erwähnten Erhöhung schon der
Natur nach Gott war, emporgesetzt hat, werden wir, wenn wir die Art und Weise der
zwischenzeitlichen Erniedrigung untersuchen, einen weisen Heilsplan finden, nach
welchem er, nachdem er zwischendurch nicht in Ehren gestanden hatte, wieder dahin
gekommen ist, worin er immer und wesenhaft war, wobei er [dort] auch in seinen
wahrhaft eigenen Erhöhungen existiert. Wenn dies aber nicht zutrifft, wie er glaubt
und sagt, und er [sc. der Vater] einen anderen neben dem Logos Gottes, [nämlich] den
mit ihm verbundenen Menschen zum Objekt der Verehrung für den Himmel und die
Erde und, was noch darunter liegt, gemacht hat, hat er also einen Menschen wie uns
zu Gott gemacht und wird uns künftig nicht mehr nach Gebühr anklagen, als ob wir
denjenigen, der kein Gott ist, zu Gott machen wollten, wenn es doch nötig wäre, Gott,
dem Vater, selbst die Vorwürfe wegen des Vergehens, das darin liegt, anzuheften. Der
Christuskundige erkennt also, wohin ihm seine Reden ausbrechen und zu welcher
Schlussfolgerung die Erfindungen dieses reinen Denkfehlers herabsinken. Wir sagen
nämlich, dass der Sohn, der seiner Natur nach Gott ist, also der aus Gott, dem Vater,
[gezeugte] Logos herabgekommen ist zu einer freiwilligen Entäußerung, aber auch mit
dem Fleisch wieder aufgestiegen ist zu der gottgebührenden Würde der ihm inne‐
wohnenden Majestät. Er wird nämlich auch mit dem Fleisch in dem Sinn verehrt, dass
er schon vor ihm verehrungswürdig war. Er war und ist schließlich der Natur nach
Gott, sowohl vor der Entäußerung als auch dann, wenn es heißt, dass er die Entäuße‐
rung auf sich genommen habe, indem er wie wir geworden ist. Dieser aber sieht über
so erhabene und unverfälschte Lehren hinweg und verbindet einen Menschen mit Gott
dem äußeren Verhältnis nach und auf Grundlage einer Gleichheit an Würde und
schämt sich nicht, ihn als einen zweiten zusammen mit einem anderen zu verehren. Er
behauptet aber [und] sagt, dass er es wie etwas Ungewohntes und Fremdes und als
Teil einer Gnade angenommen habe, dass sich ihm jedes Knie beugt und auch jede
Zunge offen bekennt, dass Jesus Christus Herr ist. Und wenn er meint, dass er von
der Natur her Gott geworden ist, hat er eindeutig eine Lästerung ausgesprochen, weil
er behauptet, dass die Natur der Gottheit geworden sei. Und wenn er die Würde nicht
der Natur nach, sondern als Gabe und von außen her erhalten hat und gewissermaßen
nur der Bezeichnung nach, inwiefern sagt er [dann] nicht eindeutig Folgendes aus,
dass wir [nämlich] dem nicht von Natur [existierenden] Gott gedient haben und
zusammen mit uns sich auch die Nüchternheit der himmlischen Geister geirrt hat und
Ursache und Grund dafür für uns der Vater persönlich ist. Warum sollte er also jene
noch weiter tadeln, die sich dazu entschieden haben, neben ihm die Schöpfung zu
verehren? Aus welchem Grund aber erhebt er Anklage 〈und〉 straft jene, die in die Irre
gegangen sind, wenn man sich aufgrund seiner Winke geirrt hat, indem er den nicht
von Natur aus bestehenden Gott für uns als verehrungswürdig ausgewiesen hat?
Da er aber, als er in diesem Zusammenhang das Zitat hinzusetzte, ich meine das zu
Händen liegende, [nämlich] dass sich ihm ‚jedes Knie beugen‘ und ‚jede Zunge offen
bekennen soll, dass Jesus Christus Herr ist‘, das Übrige und vom seligen Paulus im
Anschluss notwendigerweise Hinzugefügte ausließ – ich weiß nicht, was er sich dabei
dachte –, wohlan, lasst uns jenes Stück aussprechen! Es soll nämlich ‚jede Zunge offen
bekennen, dass Jesus Christus Herr ist, zum Ruhme Gottes, des Vaters‘. Wenn er nun
nicht von Natur aus Gott ist, sondern, [wie] er [sc. Nestorius] sagt, aufgrund einer
verhältnisartigen Verbindung – der mit dem Logos Gottes, meine ich – von uns selbst
und von den heiligen Engeln verehrt wird, ist es also wohl vom Vater als eine Art des
Ruhms erdacht worden, dass die Schöpfung mit ihm zusammen zu Gott gemacht
wird, und er ist umsonst über gewisse Menschen ergrimmt, als ob sie dies getan hät‐
ten. Und wenn es ihm in der Sache um Ruhm ging, warum hätte man jene, die sich
entschieden haben, dies zu tun, nicht für würdig halten sollen, belohnt und gelobt zu
werden?
Vielleicht werden sie aber Folgendes sagen: ‚Auf welche Weise wird es dem Vater
zum Ruhm gereichen, dass sich dem Immanuel jedes Knie beugt?‘ Weil der Logos, der
Gott ist und ihm, das heißt seinem Wesen, entstammt, Fleisch geworden ist, er aber,
wie ich sagte, als einziger und alleiniger wahrhafter Sohn zusammen mit seinem
eigenen Fleisch verehrt wird, wird der Vater als Gott in dem Sinn gerühmt, dass er
wahrhaft den aus seinem Wesen gezeugten Sohn hat, den er auch, Fleisch geworden,
für uns gegeben hat, auf dass er, indem er im Fleisch leide, die [Welt] unter dem Him‐
mel errette, ‚auf dass jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde gehe, sondern ewiges
Leben erlange‘,auf dass jeder, der ihn sieht, den Vater sehe. Der Vorgang ist aber
lebenspendend, und dass sich dies für uns wahrhaftig so verhält, hat der Sohn persön‐
lich aufgezeigt. Er sagte nämlich: „Das aber ist das ewige Leben, dass sie dich als den
alleinigen wahrhaften Gott erkennen und den, den du entsandt hast, Jesus Christus.“
Und das ist der gerade verlaufende und in höchstem Maße untrügliche Pfad der
Gedanken und kein anderer. Der aber, indem er immer wieder alles in Unordnung
bringt, sagt: