(4) Ich würde jetzt gerne von den Häretikern, welche die Natur der Gottheit und
der Menschheit zu einer Wesenheit vermischen, erfahren, wer es dort ist, der von dem
Verräter den Juden übergeben wird. Denn wenn eine Vermischung von beidem einge‐
treten sein sollte, wurde beides von den Juden zusammen ergriffen: sowohl der Gott-
Logos als auch die Natur der Menschheit. Wer aber ist es, der auch die Schlachtung
auf sich genommen hat? Ich bin gezwungen, sehr gemeine Ausdrücke zu benutzen,
dass das Gesagte allen klar wird. Im Hinblick auf wen haben sich, sag es mir, diese
Vorgänge ereignet? Wenn nämlich im Hinblick auf die Natur der Gottheit, wie kannst
du es wagen, beides zusammenzumischen? Und 〈wenn〉 der Gott für die Juden nicht
kontrollierbar geblieben ist und keinen Anteil an der Schlachtung durch das Fleisch
genommen hat, woher, sag es mir, führst du die Vermischung ein?
Wenn es nun gewisse Leute gibt, die sagen, dass ein gegenseitiges Ineinanderfließen
der Naturen stattgefunden habe, und behaupten, dass die Natur der Gottheit die au‐
ßerhalb des Möglichen liegende Vermengung erdulden und die Verwandlung in Fleisch
erleiden könne oder das mit ihm geeinte Fleisch jemals in die Gottheit übergehe,
haben sie die Wahrheit verfehlt, und da sie vom rechten Denken abgekommen sind,
vielmehr noch an extremer Umnebelung kranken, sollen sie von uns zu hören bekom‐
men: „Ihr irrt, weil ihr die Schriften nicht kennt und auch nicht die Macht Gottes“
(schließlich ist die Natur des Gott-Logos unerschütterlich und kann nicht den ‚Schat‐
ten eines Wandels‘ erleiden; und obwohl er eine Gemeinschaft mit Blut und Fleisch
eingegangen ist und auf gleiche Weise wie wir Anteil daran genommen hat, wie ge‐
schrieben steht, ist er derselbe geblieben). Wenn aber nun ein jeder unter denen,
welche innerhalb der heiligen Schriften aufgewachsen sind, es als hassenswert erachtet,
auch nur vielleicht davon zu hören, dass sich an dem Einziggeborenen ein Wandel voll‐
zogen habe, warum versuchst du [dann], indem du das derart Scheußliche, mit einer
Stimme von allen Verurteilte und in jeder Hinsicht Verwerfliche wie etwas Wahres und
Ausgesprochenes annimmst, den Unteilbaren zu zerschneiden, und das nach der Ei‐
nung? Denn wenn jemand der Wahrheit entsprechend lernen wollte, wer derjenige ist,
‚der von dem Verräter den Juden übergeben wird‘ und ‚die Schlachtung auf sich
genommen hat‘, soll er deutlich zu hören bekommen: der eine und alleinige Christus,
Sohn und Herr, also der aus Gott [gezeugte] Logos, der, indem er ‚die Gestalt eines
Knechtes annahm‘, Mensch und Fleisch geworden ist. Er wurde ja vom Verräter an die
Führer der Juden verkauft und auf menschliche Weise festgehalten, weil er zusammen
mit der fortwährenden Existenz als Gott auch Mensch war, zeigt aber auf göttliche
Weise die Schwäche jener, die ihn festhielten, auf. Und dies macht uns der Göttliches
kündende Evangelist Johannes deutlich, der folgendermaßen geschrieben hat: „Als
Judas nun die Schar und die Diener von den Hohepriestern und den Pharisäern emp‐
fangen hat, kommt er dorthin mit Fackeln, Lampen und Waffen. Jesus aber ging,
obwohl er alles, was auf ihn zukommt, wusste, hinaus und sprach zu ihnen: ‚Wen sucht
ihr?‘ Sie antworteten ihm: ‚Jesus, den Nazoräer.‘ Jesus sagt zu ihnen: ‚Ich bin es.‘ Es
stand 〈aber〉 auch Judas, der ihn verriet, mitten unter ihnen. Als er ihnen nun sagte:
‚Ich bin es‘, wichen sie nach hinten zurück und fielen zu Boden.“
Hörst du, dass er es nicht zulässt, dass jene, die von dem Verräter zusammenge‐
sucht worden sind, sich hochmütig gegen die Herrlichkeit, die ihm zu Gebot steht,
gebaren? Er hat sich nämlich selbst ausgeliefert, indem er sagte: ‚Ich bin es‘. Jene aber
verloren allein aufgrund der Stimme die Kraft und ‚wichen nach hinten zurück‘. Dass
es aber nicht Leistung ihrer Macht war, ihn festzunehmen, sondern er den Tod für uns
im rechten Augenblick und aus der Erfordernis heraus für annehmbar hielt, hat er be‐
stätigt, als er sagte: „Wie zu einem Räuber seid ihr mit Messern und mit Knüppeln
ausgezogen, um mich zu ergreifen. Täglich saß ich im Heiligtum und lehrte, und ihr
habt mich nicht überwältigt. Dies alles ist aber geschehen, auf dass die Schriften der
Propheten erfüllt werden.“ Denn was vor langer Zeit durch die heiligen Propheten
vorausgesagt wurde, das erfüllte er, indem er, der über aller Schöpfung steht, sich in
die Entäußerung hinabbegeben hat, und er, der ‚in Gestalt‘ des Vaters und in Gleich‐
heit zu ihm [existiert], sich ‚in der Erscheinung als Mensch zeigt‘. Aus welchem
Grund beschädigst du also, indem du versuchst, den Ohren der einfacheren Gemüter
den Begriff der Mischung zuzuführen, das Wunder des mit dem Fleisch verbundenen
Heilsplans? Es kommt [dir] nämlich nicht zu, streng und unfreundlich in die Mitte zu
treten und zu sagen: ‚Ist also der Gott-Logos ergriffen worden? Hat etwa die Natur
der Gottheit die Schlachtung auf sich genommen?‘
Dass du nun solche Dinge aus einer konsequenten Torheit heraus sagst, sollst du
daher erkennen, und zwar ganz leicht. Wir meinen, dass die heiligen Märtyrer, die sich
entschlossen haben, alles zu erleiden, zur Vollendung gekommen sind, auf dass sie,
wenn sie den schönen Kampf gekämpft, den Lauf vollendet und den Glauben bewahrt
hätten, sich den Kranz der gegenüber Christus bestehenden Vollbürtigkeit aufsetzten.
Wenn nun vielleicht jemand hergeht und sagt: ‚Wenn die Körper der Heiligen mit
Eisen zerschunden oder eben vom Feuer verzehrt wurden oder wenn sie überhaupt zu
Gefangenen geworden sind, sind denn etwa die Seelen zusammen mit den Körpern
eingeschlossen worden? Sind etwa auch sie selbst ein Werk des Feuers oder des Schwer‐
tes geworden?‘, meinen wir jedenfalls, dass sie sich von den Körpern befreien, da sie
von solchen Misshandlungen nichts an der eigenen Natur erduldet haben. Sollten sie
nun, sag es mir, aus diesem Grund ohne Anteil an den Kränzen sein, weil sie das den
Körpern Widerfahrene nicht gelitten haben? Doch das Wort der Wahrheit nimmt sie
nicht vom Leiden aus. Sie haben nämlich das Leiden der ihren und nicht das anderer
Körper gelitten. Es ist also töricht, herausfinden zu wollen, ob die Natur der Gottheit
zusammen mit dem Fleisch ausgeliefert worden ist oder sich in den Schlingen der Ju‐
den verfangen oder eben die Schlachtung auf sich genommen hat. Fromm ist es hinge‐
gen vielmehr zu bedenken, dass sich der Logos die Leiden, die seinem eigenen Fleisch
zugestoßen sind, voll und ganz angeeignet hat, er aber als Gott leidensunfähig geblie‐
ben ist, nur dass er nicht außerhalb des leidenden Leibes stand.
Indem er selbst aber das, was auf eine in solchem Maße dem Heilsplan entspre‐
chende Weise umgesetzt worden ist, absurden Vorwürfen aussetzt und immer wieder
betont, dass nicht von irgendwem gesagt werden dürfe, dass die Natur der Gottheit
die Schlachtung auf sich genommen habe, verlegt er den Inhalt des Geheimnisses in
unfrommer Weise auf einen für sich [betrachteten] Menschen und behauptet, dass er
es sei, der gekreuzigt wurde und den Tod für das Leben der Welt erduldet hat. Ich höre
ihn nämlich bei einer anderen Exegese sagen: