(6) 1. Wenn der selige Petrus deswegen etwas über unsere Erstlingsgabe verkündet
und die aus der Gottheit resultierende Erhöhung der erscheinenden Natur erklärt,
sagt er: „Diesen Jesus hat Gott auferstehen lassen.“ Gott ist nicht gestorben, sondern
hat auferstehen lassen. Höre die Worte des Petrus, Apolinarios! Höre zusammen mit
Apolinarios auch du, Arius! Er sagt: „Diesen Jesus hat Gott auferstehen lassen“, den
erscheinenden, den, der mit Augen gesehen wird, der ans Holz genagelt, der von den
Händen des Thomas betastet wurde, der ihm zurief: ‚Taste! Denn „ein Geist hat kein
Fleisch und keine Knochen, wie ihr seht, dass ich [sie] habe.“‘ Und weil der Jünger
durch diese Worte überzeugt worden war und durch die Berührung des gekreuzigten
Leibes, pries er, von der Auferstehung überzeugt, den wundertätigen Gott: ‚„Mein
Herr und mein Gott“,{Ruhm gebührt dir}‘, wobei er nicht das Betastete als Gott
ansprach. Denn Gottheit entdeckt man nicht durch Betasten.
2. Und nach weiterem: Über diesen, den man betasten konnte, rief auch Petrus aus:
„Diesen Jesus hat Gott auferstehen lassen. Er wurde also durch die Rechte Gottes
erhöht.“ Der Gott-Logos hatte aber keine helfende Rechte nötig, Arius.
Der Sohn lässt die Toten auferstehen, und wir sagen, dass er stärker als der Tod ist.
Wir denken nämlich daran, dass er klar und deutlich sagt: „Ich bin die Auferstehung
und das Leben.“ Wenn allerdings der Göttliches kündende Petrus die frohe Botschaft
ausspricht, indem er sagt: „Diesen Jesus hat Gott auferstehen lassen“, glauben wir,
dass der Mensch gewordene Logos selbst Jesus ist. Inwiefern kann man nun sagen,
dass er vom Vater erweckt und durch seine Rechte erhöht worden ist? Ich glaube näm‐
lich, dass es nötig ist, dies jenen, die nicht erkennen können, eindeutig vor Augen zu
führen, damit wir, indem wir den Grund des Ärgernisses abscheren, den rechten und
von Abirrungen gänzlich freien Weg zur Wahrheit aufzeigen. Er hat also dem Tod für
kurze Zeit seinen eigenen Leib überlassen (denn „durch die Gnade Gottes“, wie Pau‐
lus sagt, „kostete er für jeden den Tod“).Da er außerdem die lebenspendende Rechte
und Macht Gottes, des Vaters, ist, hat er ihn stärker als Verderben und Tod gemacht.
Und in dieser Beziehung soll er uns Bürgschaft leisten, indem er zu den Juden spricht:
„Zerstört diesen Tempel, und in drei Tagen werde ich ihn aufrichten!“ Sieh also ein,
dass er verkündet, dass er selbst seinen eigenen Tempel aufrichtet, obwohl von Gott,
dem Vater, gesagt wird, dass er auferstehen lässt! Der Sohn ist nämlich, wie ich sagte,
die Rechte und die lebenspendende Macht des Vaters. Daher hat der Vater, auch wenn
man sagt, dass er die Belebung des göttlichen Tempels bewirkt hat, durch den Sohn
gewirkt, und wenn wiederum der Sohn als jener, der gewirkt hat, erscheint, [geschah
dies] aber nicht ohne den Vater im Geist. Es existiert nämlich eine Natur der Gottheit,
die in drei individuellen Hypostasen wahrgenommen wird und im Hinblick auf alles,
was getan wird, die Regung und Wirkkraft besitzt, die eindeutig geistig und gottgezie‐
mend ist.
Der Leib gab demnach den Gesetzen seiner eigenen Natur Raum und empfing den
Geschmack des Todes, wobei der geeinte Logos es ihm gestattete, mit Blick auf den
Nutzen auch dies zu erfahren. Er wurde allerdings durch eine göttliche Macht leben‐
dig gemacht, durch die des hypostatisch mit ihm geeinten Logos. Wir nehmen den
Immanuel, was übersetzt ‚Gott mit uns‘ bedeutet, also vollständig wahr, wenn wir den
Göttliches kündenden Petrus sagen hören: „Diesen Jesus hat Gott auferstehen lassen“,
und auch wenn du den anführst, der erschienen ist und ans Holz genagelt und der von
den Händen des Thomas bestastet worden ist, nehmen wir um nichts weniger den aus
Gott, dem Vater, [gezeugten] Logos, als Fleisch Gewordenen wahr und bekennen ein
und denselben Sohn. Obwohl er nämlich der Natur nach unsichtbar ist, ist er sichtbar
geworden, weil der Leib, der gesehen wurde, auch sein eigener war. In diesem Sinne
singt auch der göttliche David für uns: „Gott wird sichtbar kommen, unser Gott, und
er wird nicht still bleiben.“ Und auch der selige Habakuk: „Gott wird von Teman
kommen und der Heilige vom dichten schattigen Berg.“ Obwohl dieser auch nicht be‐
rührbar ist, sagt man, dass er durch den mit ihm geeinten Leib berührbar geworden ist.
Daher schreibt Lukas: „Da viele es unternommen haben, einen Bericht über die Taten
abzufassen, die für uns vollbracht worden sind, wie sie uns jene überliefert haben, die
von Anfang an Augenzeugen und Diener des Logos geworden sind.“ Und zudem sagt
der weise Johannes: „Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir mit
unseren Augen gesehen haben, was wir anschauten und unsere Hände betasteten, be‐
trifft den Logos des Lebens. Und das Leben wurde offenbar, und wir haben es gesehen
und bezeugen und verkünden euch das ewige Leben, das beim Vater war und uns of‐
fenbart wurde.“ Wenn er aber nicht berührbar und sichtbar geworden sein sollte als
jemand, der einen eigenen Leib besitzt, welcher Berührung und Blick unterliegt, wie
sind die in jeder Hinsicht weisen Jünger [dann] ‚Augenzeugen des Logos geworden‘?
Warum sagen sie, dass der ‚Logos des Lebens‘, ‚welches beim Vater war und uns offen‐
bart wurde‘, geschaut und ‚betastet‘ wurde?Ebendiesen nun, den berührbaren und
sichtbaren, den ans Kreuz genagelten erkannte Thomas. Und er bekannte, und das
vollkommen zu Recht, den Gott und Herrn. Er sagte nämlich sofort: „Mein Herr und
mein Gott“, worauf Jesus Christus unser Herr ihm [antwortete]: „Weil du mich gese‐
hen hast, bist du zum Glauben gekommen. Selige sind jene, die nicht gesehen haben
und zum Glauben gekommen sind.“ Was haben sie geglaubt? Sag es mir! Etwa nicht,
dass er, weil er von Natur aus Gott ist, seinen eigenen Tempel von den Toten auferste‐
hen ließ? In welcher Hinsicht ist die Sache denn nun zweifelhaft?
Doch dieser gute Mann da, der aufgrund der Äußerungen des Jüngers törichterwei‐
se beinahe errötet, sagt, dass er nicht bekenne, dass der ‚Erstgeborene aus den Toten‘
Herr und Gott sei. Er verdreht vielmehr die Bedeutung des Satzes hin zu dem, was
ihm allein richtig erscheint, und behauptet, dass er den wundertätigen Gott pries, als
er sagte: „Mein Herr und mein Gott.“ Dem fügt er aber hinzu:
Er sprach dabei nicht das Betastete als Gott an. Denn Gottheit entdeckt man nicht
durch Betasten.
Tadelst du nun, sag es mir, den Jünger, der Christus als Herrn und als Gott be‐
zeichnet? Der Satz hat uns indes gerade gezeigt, dass der nicht berührbare und un‐
sichtbare Einziggeborene, welcher der Natur nach Gott ist, berührbar und sichtbar
geworden ist. Wenn du aber sagst: ‚Denn Gottheit entdeckt man nicht durch Betas‐
tung‘, wollen wir im Gegenzug Folgendes sagen: Warum sprichst du, indem du den
Heilsplan beiseite schiebst, wie über eine nackte Gottheit, führst es gleichsam dem
Vergessen zu, dass der Unberührbare und Körperlose sowohl Fleisch als auch Mensch
geworden ist, und erträgst es nicht, dass die göttlich inspirierte Schrift ihn als Gott
bezeichnet, weil er im Fleisch betastet und ebenso von den heiligen Aposteln gesehen
worden ist? Wir allerdings, mein Freund, schmücken zusammen mit dem seligen Tho‐
mas den ans Holz Genagelten, den mit Händen Betasteten und mit menschlichen Au‐
gen Gesehenen mit dem ihm gebührenden Lobpreis und sagen: „Mein Herr und mein
Gott.“
Dass man aber, auch wenn man meinen sollte, dass der Logos Gottes im Fleisch
gelitten hat, wohl nicht davon ausgenommen ist, gelobt werden zu müssen und sich
dazu entschieden zu haben, Wahres zu denken (schließlich ist er auch so leidens‐
unfähig geblieben), werde ich noch einmal versuchen, aus dem darzulegen, was du
selbst geschrieben oder in Kirchen gesagt hast. Du hältst ja unsere heiligen Väter für
lobenswert – ich meine jene, die sich seinerzeit in Nizäa versammelt haben – in der
Meinung, dass sie das Bekenntnis unseres Glaubens gründlich und detailliert ausge‐
arbeitet haben. Du hast allerdings nicht ihre Gedanken im Sinn gehabt. Warum? Und
du trachtest nicht danach, indem du den Geist auf die Lehren der Wahrheit senkst,
geradeaus zu gehen, sondern lahmst gleichsam an beiden Schenkeln, wie geschrieben
steht, wenn du die Liebhaber des Richtigen ohne Verstand tadelst, das, was dir selbst
richtig erscheint, wie eine Wahrheit bekräftigst, vielmehr aber nicht einmal bei dem,
was du selbst sagtest, bleiben willst. Ich entdecke dich nämlich dabei, wie du über die
heiligen Väter sagst: