CV19: Homilie des Proklos von Kyzikos

Inhalt: Proklos, der Bischof von Kyzikos, hält zu einem nicht mit Sicherheit zu bestimmenden Marien­fest in der Hauptkirche von Konstantinopel eine Predigt, in welcher er Maria als ewige Jungfrau und Mutter desjenigen preist, der Gottheit und Menschheit wesensmäßig in sich vereint und nur aufgrund dieser Voraussetzung in der Lage war, die Menschen zu erlösen.

Edition: Collectio Vaticana 19, ACO I,1,1 S. 103,1–107,22; ältere Edd.: Labbé/Cossart (1671–1672), Bd. 3 Sp. 9–20; Coleti (1728–1734), Bd. 3 Sp. 577–585; Mansi, Bd. 4 Sp. 577–588; PG 65, Sp. 680–692

Verzeichnisnummern: CPG 5800

Verfasser: Proklos von Kyzikos (später: von Konstantinopel)

Datierung: Datierung unsicher: Ende 428 bis Frühjahr 430

Lat. Übersetzungen:  –

Literatur: Constas (2003); Peltomaa (2004)

(4) Der der Natur nach Leidensunfähige ist also aufgrund von Mitleid vielfältig
leidensfähig geworden. Christus ist nicht infolge eines Fortschrittes Gott geworden –
niemals –, sondern er ist aufgrund von Mitleid Mensch geworden, wie wir glauben.
Wir verkünden keinen vergöttlichten Menschen, sondern bekennen einen Fleisch ge­
wordenen Gott. Der dem Wesen nach ‚Mutterlose‘ und dem Heilsplan nach ‚Vaterlose‘
schrieb sich
die eigene Magd als Mutter zu. Warum ist er denn nach Paulus ‚mutterlos‘
und ‚vaterlos‘?
Wenn er ein bloßer Mensch ist, ist er nicht mutterlos. Er hat ja eine
Mutter. Wenn er nackter Gott ist, ist er nicht vaterlos. Er hat ja einen Vater. Nun ist
aber derselbe als Bildner mutterlos, vaterlos aber als Gebilde.

4 | 1 Der … Leidensunfähige]

κατὰ φύσιν ἀπαθὴς: Die nämliche Formel verwendet auch Kyrill in Contra Nestorium (CV166,V,5,77, ACO I,1,6 S. 102,19 [Dok. 25]) und in seinem dritten Brief an Nestorius (CV6,6,11, ACO I,1,1 S. 37,10 [Dok. 36]).

4 | 2 infolge … Fortschrittes]

Nestorius argumentiert in einer seiner Predigten, die vermutlich schon in einer frühen Phase der Streitigkeiten in Umlauf gebracht wurde, mit großem Aufwand gegen die Vorstellung, dass die Gottheit Christi einem Fortschritt, d.h. einer Veränderung, unterworfen sein könnte (vgl. z.B. Loofs, Nestoriana S. 233,4–6; 235,8f. 16). Möglicherweise könnte sich Proklos hier also auf diese Predigt oder ähnliche Äußerungen des Nestorius beziehen.

4 | 4 vergöttlichten Menschen]

ἄνθρωπον ἀποθεωθέντα: Nes­to­rius wirft den Anhängern des θεοτόκος-Titels im Verlauf der Auseinandersetzungen wiederholt vor, sie betrieben die Apotheose eines Menschen (vgl. z.B. CV22,2,4 – 6, ACO I,1,1 S. 110,21–23 [Dok. 8] = Loofs, Nestoriana S. 265,3f.; CVer3,2,13 – 18, ACO I,2 S. 13,15–17 [Dok. 7] = Loofs, Nestoriana S. 166,29–167,2). Wenn Pro­klos hier also ausdrücklich die Möglichkeit ausschließt, dass die von ihm vertretene Christologie auf eine Apotheose hinauslaufen würde, könnte das vielleicht darauf hindeuten, dass der entsprechende Vorwurf schon zur Zeit der Abfassung der hier kommentierten Predigt zum polemischen Vokabular des Nestorius gehörte. Allerdings handelt es sich bei der These, dass der angenommene Mensch durch den göttlichen Logos eine Apotheose erfahren habe, auch um keinen rein rhetorischen Kunstgriff. Sie wurde offenbar schon vor Ausbruch der Streitigkeiten auch tatsächlich vertreten (vgl. z.B. Kinzig [2017], §176,5).

4 | 5–7 Der … vaterlos]

Vgl. Hebr 7,3. Nestorius führt diesen Vers in seiner ersten Predigt an, mit der er sich explizit gegen den θεοτόκος-Begriff richtet (vgl. CPal20,46 – 48, ACO I,5 S. 30,5–7 [Dok. 1]). Er benutzt ihn dort als Beleg dafür, dass die Gottheit Christi der Tradition nach als ‚mutterlos‘ gilt. Möglichweise greift Proklos hier also diese Exegese auf, um ihr eine eigene Deutung gegenüberzustellen.

4 | 6 die … Magd]

Vgl. Lk 1,38; s. auch oben*.

Die Akten des Konzils von Ephesus 431. Übersetzung, Einleitung, Kommentar

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