CV6: Kyrills dritter Brief an Nestorius

Inhalt: Kyrill entfaltet als Antwort auf den zweiten an ihn gerichteten Brief des Nestorius noch einmal ausführlich seine auf die θεοτόκος-Frage gerichtete christologische Position, wobei er sich abermals auf das Nizänum beruft und auf die Einwürfe seines Gegners zum Teil dezidiert eingeht. Im An­schluss an seine Ausführungen stellt er zwölf Anathematismen auf, die definieren sollen, welche Ansichten in dem erörterten Fragenkomplex zu verwerfen seien.

Edition: Collectio Vaticana 6, ACO I,1,1 S. 33,4–42,5; ältere Edd.: Labbé/Cossart (1671–1672), Bd. 3 Sp. 395–410; Coleti (1728–1734), Bd. 3 Sp. 944–960; Mansi, Bd. 4 Sp. 1068–1084; PG 77, Sp. 105–121; Pusey (1965 [= 1868–1877]), Bd. 6 S. 12–39

Verzeichnisnummern: CPG 5317

Verfasser: Kyrill von Alexandria

Datierung: 30. November 430

Lat. Übersetzungen: (1) Collectio Veronensis 17, ACO I,2 S. 45–51; (2) Collectio Casinensis 8, ACO I,3 S. 26–35; (3) Collectio Dionysius Exiguus, ACO I,5 S. 236–244; (4) Gesta Constantinopolita­na, ACO IV,1 S. 160–166

Literatur: Price/Graumann (2020), S. 160–171

1Genaues Empfangsdatum nach CVer17,12 (ACO I,2 S. 51,33).

(5) Ein Christus ist also sowohl Sohn als auch Herr, [und zwar] nicht, wie wenn ein
Mensch einfach eine Verbindung zu Gott hat, die gleichsam in der Einheit der Würde
oder der Autorität besteht.
Ein gleiches Maß an Ehre eint nämlich die Naturen nicht.
Zum Beispiel sind Petrus und Johannes einander in ihrer Eigenschaft als Apostel und
heilige Lehrer gleich an Ehre, die beiden sind jedoch nicht eins. Wir fassen das Wesen
der Verbindung auch nicht nach Art einer Gegenüberstellung auf (das genügt nämlich
nicht zu einer naturhaften Einung) und auch nicht gleichsam nach Art einer verhält­
nisartigen Teilhabe, wie auch wir, die wir ‚dem Herrn anhaften‘, wie geschrieben steht,
ein Geist‘ mit ihm sind.
Vielmehr lehnen wir den Begriff Verbindung ab, da er die
Einung nicht ausreichend bezeichnen kann.
Doch wir nennen den aus Gott, dem
Vater, [gezeugten] Logos auch nicht Gott oder Herrn Christi,
damit wir nicht wiede­
rum offensichtlich den einen Christus in zwei zerlegen, den Sohn und den Herrn, und
uns den Vorwurf der Lästerung zuziehen, indem wir ihn zu seinem eigenen Gott und
Herrn machen. Denn hypostatisch mit dem Fleisch geeint, wie ich schon eben sagte, 
ist der Logos Gottes Gott des Alls, herrscht über alles und ist weder sein eigener
Knecht noch Herr. Denn es wäre einfältig, vielmehr sogar schon gottlos, so zu denken
oder zu sprechen. Er hat ja den Vater tatsächlich seinen Gott genannt, obwohl er von
Natur aus Gott und aus dessen Wesen ist. Doch wir wissen wohl, dass er im Gott-Sein
auch Mensch geworden ist, der nach dem der Natur der Menschheit angemessenen
Gesetz Gott untersteht. Wie kann er aber selbst sein eigener Gott oder Herr werden?
Er sagt also als Mensch und, insoweit es den Vorgaben der Entäußerung entspricht,
dass er zusammen mit uns Gott unterstehe. So geriet er auch unter das Gesetz, 
obwohl er das Gesetz selbst formuliert hat und als Gott Gesetzgeber ist.

5 | 1–3 und … besteht]
5 | 8–9 die … sind]

Vgl. 1 Kor 6,17.

5 | 9–10 Vielmehr … kann]

Zur Verwendung des Begriffes συνάφεια (Verbindung) durch Nes­to­rius in dessen zweitem Brief vgl. CV5,6,2 – 3, ACO I,1,1 S. 30,19f. mit Anm (Dok. 24). Der Begriff der ‚Verbindung‘ gehört dabei als solcher durchaus auch zu Kyrills Vokabular. Er verwendet ihn jedoch zumeist in anderen Zusammenhängen als Nestorius. In den Schriften, die er vor den Streitigkeiten um den θεοτόκος-Titel verfasste, greift er z.B. häufig auf ihn zurück, wenn er das Verhältnis beschreiben will, das zwischen Christus und der Menschheit besteht, oder jenes, das durch diesen zwischen Gott und den Menschen gestiftet worden ist (vgl. z.B. Hos. 2, Pusey [1965 (= 1868–1877)], Bd. 1 S. 74,9–16; Joh. 10,2, Pusey [1965 (= 1868–1877)], Bd. 4 S. 547,19–21). Möglicherweise sind es also Assoziationen zu dieser Art von Beziehung, die Kyrill davon abhalten, die συνάφεια als Einheit stiftendes Element im inkarnierten Christus anzuerkennen. Auf der anderen Seite lässt sich jedoch in seinen früheren Schriften auch keine strikte Ablehnung des Begriffes ausmachen, wenn es darum geht, die Union des Logos mit dem Fleisch in Worte zu fassen (vgl. Dial. trin. 6, 605,30–32 Aubert).

5 | 10–11 Doch … Christi]

In ähnlicher Weise spricht Kyrill auch in CV166,III,2,137 – 138, ACO I,1,6 S. 60,36f. (Dok. 25) mit Bezug auf Loofs, Nestoriana S. 234,10–16, und in CV169,51, ACO I,1,6 S. 129,19, diesmal mit Bezug auf Nes­to­ri­ana S. 234,14–16 und 292,1–6. Vgl. außerdem die Art und Weise, wie Nestorius in seinem zweiten Brief an Kyrill Mt 22,42–44 interpretiert (CV5,7,24 – 33, ACO I,1,1 S. 31,20–25 [Dok. 24]).

5 | 14 wie … sagte]
5 | 17 Er … genannt]

Vgl. Joh 20,17.

5 | 22 geriet … Gesetz]

Vgl. Gal 4,4.

Die Akten des Konzils von Ephesus 431. Übersetzung, Einleitung, Kommentar

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