(20) Ist es also nicht überaus klar und keinem Wesen verborgen, dass der Einzigge‐
borene wie wir geworden ist, das heißt ein vollendeter Mensch, auf dass er unseren
irdischen Leib von dem ihm von außen auferlegten Verderben befreie, indem er das
ihm eigene Leben in den auf der Einung beruhenden Heilsplan fügt, und indem er sich
die menschliche Seele zu eigen macht, sie stärker als die Sünde erscheinen lasse, da er
in sie die Beständigkeit und die Unwandelbarkeit der eigenen Natur wie Farbe in
Wolle einfärbt? Ich meine nämlich, dass die Reden über diese Dinge, da sie allzu viel
Unklares enthalten, Beispiele benötigen. Wir nehmen ja die göttlichen und den Ver‐
stand übersteigenden Geheimnisse nur mit Mühe im ‚Spiegel‘ und ‚Rätsel‘ wahr.
Dieses Verfahren ist aber meiner Meinung nach wohl nicht fehl am Platze. Es enthält
nämlich den wahrscheinlichen, oder vielmehr den wahren Gedanken. Wie demnach
das Fleisch, da es Fleisch des alles belebenden Logos geworden ist, die Macht des
Todes und des Verderbens überwältigt, besitzt, glaube ich, auf dieselbe Weise die Seele,
da sie Seele dessen geworden ist, der keinen Fehltritt kennt, schließlich einen gefestig‐
ten, im Hinblick auf alle Güter unveränderlichen Zustand, der unvergleichlich stärker
ist als die Sünde, die von Alters her über uns herrscht. Denn Christus ist der erste und
einzige Mensch auf Erden, ‚〈der〉 keine Sünde begangen hat und in dessen Mund sich
kein Trug fand‘, und er wird, da er gleichsam als ‚Wurzel‘ und ‚Erstling‘ derjenigen
gesetzt ist, die im Geist zur ‚Erneuerung des Lebens‘ umgestaltet werden, dem gesam‐
ten menschlichen Geschlecht nunmehr aufgrund von Teilhabe und aus Gnade die Un‐
verderblichkeit des Leibes und die gefestigte Beständigkeit der Gottheit verleihen.
Und im Wissen darum schreibt der Göttliches kündende Paulus: „Denn wie wir das
Bild des irdischen [sc. Menschen] getragen haben, werden wir das Bild des himmli‐
schen tragen.“ Denn „Bild des irdischen“ nannte er das leicht zur Sünde abgleitende
Element und den uns daher auferlegten Tod, „Bild des himmlischen“, das heißt Chris‐
tus, hingegen die Beständigkeit im Hinblick auf die Heiligung, die Wiederkehr aus
Tod und Verderben und die Erneuerung hin zu Unverderblichkeit und Leben.