(27) ‚Und den Herrn, der‘ uns ‚losgekauft hat, werden wir nicht verleugnen‘, auch
wenn er aufgrund der menschlichen Eigenschaften von uns zuweilen den Maßgaben
der Entäußerung nach bezeichnet wird. Denn als er zu den Juden sprach, sagte unser
Herr Jesus Christus: „Wenn ihr Kinder Abrahams wäret, tätet ihr die Werke Abra‐
hams. Nun aber trachtet ihr danach, mich zu töten, einen Menschen, der ich euch die
Wahrheit gesagt habe. Das hat Abraham nicht getan.“ Paulus schreibt aber über ihn:
„Der in den Tagen seines Fleisches unter lautem Rufen und Tränen Bitten und Gebete
an jenen richtete, der die Macht hatte, ihn vor dem Tode zu erretten, und der aufgrund
seiner Frömmigkeit erhört wurde, lernte, obwohl er Sohn war, durch das, was er erlitt,
den Gehorsam.“Sollen wir Christus also eben deswegen für einen bloßen Menschen
halten und für jemanden, der in keiner Weise über die Unsrigen erhaben ist? Bloß
nicht! Sollen wir stattdessen zugeben, dass die Weisheit und die Macht Gottes zu
solcher Kraftlosigkeit hinabgestiegen sind, dass er den Tod fürchtet und vom Vater
fordert, gerettet zu werden, und den Immanuel daraus entlassen, der Natur nach Le‐
ben zu sein? Oder werden wir, indem wir das den Worten nach gleichsam Niedrige auf
die Menschheit und das Maß unserer Natur beziehen, etwas Lobenswertes tun und
aufgrund dessen, was Gott ausmacht, seine überweltliche Herrlichkeit erkennen, wenn
wir einsehen, dass derselbe Gott und gleichermaßen auch Mensch oder eben Mensch
gewordener Gott ist? So soll denn der überaus geschätzte Paulus in unsere Mitte
treten und Folgendes rufen und aussprechen: „Wir verkünden unter den Vollendeten
die Weisheit, nicht aber die Weisheit dieses Zeitalters oder der Herrscher dieses Zeit‐
alters, die ohne Wirkung bleiben, sondern wir verkünden die im Geheimnis verbor‐
gene Weisheit Gottes, die keiner der Herrscher dieses Zeitalters kennt. Denn wenn sie
erkannt hätten, hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt.“ Und dazu
noch: „Derjenige, der Abglanz der Herrlichkeit und Abdruck seiner Hypostase ist
und das All mit dem Wort seiner Macht trägt, der Reinigung von unseren Sünden
bewirkt hat, nahm Platz zur Rechten der Majestät in der Höhe, um so viel größer ge‐
worden als die Engel, wie er im Verhältnis zu ihnen einen höher ausgezeichneten
Namen erhalten hat.“
Wie ist es nun aber nicht über alle Maße erhaben und allem, was entstanden ist und
zur Entstehung gebracht wurde, überlegen, Herr der Herrlichkeit zu sein und genannt
zu werden? Und so übergehe ich das Menschliche (es ist nämlich allzu gering), möch‐
te aber wenigstens sagen, dass, wenn jemand Engel anführt und Reiche, Throne und
Herrschaften aufzählt und sogar wenn er die höchsten Seraphim erwähnt, er wohl zu‐
geben wird, dass diese Dinge hinter diesem so erhabenen Ruhm zurückstehen, wenn
er einen zuverlässigen und klugen Verstand besitzt. Ich behaupte nämlich, dass dies
eine ausgezeichnete Ehrung ist und allein der alles regierenden Natur zugeschrieben
werden darf. Wie wird nun der Gekreuzigte zum Herrn der Herrlichkeit, und warum
sagt man, der Abglanz des Vaters, der Abdruck des Wesens, er, der das All mit dem
Wort seiner Macht trägt, sei größer als die Engel geworden? Weil er, wie ich meine,
irgendwie das Geringere aufnahm, als er als Mensch erschienen ist. Es steht ja
geschrieben, dass „wir Jesus, der für kurze Zeit im Verhältnis zu den Engeln erniedrigt
war, durch das Erleiden des Todes mit Herrlichkeit und Ehre bekränzt sehen“. Sollen
wir nun den aus Gott, dem Vater, hervorgetretenen Logos aus der ihm gebührenden
wesenhaften Überlegenheit und der genauen Ähnlichkeit mit ihm ausstoßen, wenn
wir ihn aufgrund der Niedrigkeit, die aus dem Heilsplan [resultiert], dem Ruhm der
Engel unterlegen sehen? Keineswegs! Denn ich glaube, man darf den aus Gott [ge‐
zeugten] Logos nach der Zusammenkunft mit dem Fleisch weder vollständig von den
menschlichen Eigenschaften trennen noch das Menschliche der Gott gebührenden
Herrlichkeit berauben, wenn im Sinne Christi gedacht und gesprochen wird.