CV7: Kyrills Rede über den rechten Glauben an Theodosius

Inhalt: Kyrill widmet Kaiser Theodosius II. eine ausführliche Darstellung des rechten Glaubens. Zu diesem Zweck beschreibt er zunächst in knappen Worten die wichtigsten Häresien, die im Reiche umgehen, um sie anschließend zu widerlegen. Während er die meisten dieser Lehren dabei relativ zügig abhandelt, verwendet er viel Zeit darauf, sich mit der zuletzt vorgestellten, einer dyophysiti­schen Lehre, wie sie Nestorius vertritt, auseinanderzusetzen, wobei er seine eigene Auffassung, die er dieser gegenüberstellt, immer wieder vor Fehlinterpretationen zu schützen versucht.

Edition: Collectio Vaticana 7, ACO I,1,1 S. 42–72; ältere Edd.: Labbé/Cossart (1671–1672), Bd. 3 Sp. 45–105; Coleti (1728–1734), Bd. 3 Sp. 613–672; Mansi, Bd. 4 Sp. 617–680; PG 76, Sp. 1133–1200; Pusey (1965 [= 1868–1877]), Bd. 7 S. 1–152

Verzeichnisnummern: CPG 5218

Verfasser: Kyrill von Alexandria

Datierung: 430

Lat. Übersetzungen:  –

Literatur: van Loon (2009), S. 419–433

(29) Er wird aber auch durch die heiligen Schriften bald gänzlich als Mensch ver­
kündet, wobei seine Gottheit mit Blick auf den Heilsplan verschwiegen wird, bald aber
wieder als Gott, wobei seine Menschheit verschwiegen wird. Ihm geschieht [dabei]
aber wegen des Zusammenschlusses beider zu einer Einung in keiner Weise Unrecht. 
Daher schreibt der Göttliches kündende Paulus, ‚der Hebräer aus den Hebräern‘ und
aus ‚dem Stamm Benjamin‘,
der ‚berufene Apostel‘, denen, die durch Glauben gerecht­
fertigt sind
und die Glieder des Fleisches abgetötet haben, Unzucht meine ich und
Leidenschaft, üble Begierde und Habgier:
„Denn ihr seid gestorben, und euer Leben
ist zusammen mit Christus in Gott verborgen.“
Er [sc. Christus] selbst sagte außer­
dem über seine Jünger: „Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir
gegeben hast, damit sie eins sind wie wir. Als ich mit ihnen zusammen war, habe ich
sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, bewahrt, und ich habe sie beschützt,
und keiner von ihnen ist umgekommen, außer dem Sohn des Verderbens, damit die
Schrift erfüllt werde. Nun komme ich zu dir und sage dies in der Welt, damit sie meine
Freude im Vollmaß in sich haben.“

Erkennst du nun, wie er sich uns in diesen [Worten] gleichsam ausschließlich von
der Menschheit her darzustellen scheint? Wir werden ja keineswegs denken, dass er
verborgen sei und die Welt verlassen habe, obwohl er deutlich sagt: „Wahrlich, wahr­
lich, ich sage euch: Wo immer zwei oder drei in meinem Namen zusammenkommen,
dort bin ich in ihrer Mitte“,
und wiederum: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zum
Ende der Zeit.“
Man sieht aber selbst den überaus heiligen Paulus häufig außer Acht
lassen, dass er [sc. Christus] auch als Mensch verkündet werden muss. „Paulus“, sagt
er nämlich, „Apostel, nicht von den Menschen und nicht durch einen Menschen,
sondern durch Jesus Christus“,
und außerdem sagt er: „Ich tue euch das Evangelium
kund, das von mir verkündet wird, dass es nicht nach Menschenmaß ist. Denn ich
habe es nicht von einem Menschen empfangen oder gelernt, sondern durch die Offen­
barung Jesu Christi.“
Und auch an einem anderen Ort sagt er: „Wenn wir Christus
auch dem Fleisch nach kannten, kennen wir ihn nun nicht mehr so.“
Wer ist nun Jesus
Christus, der die derart unaussprechliche, untrügliche und göttliche Offenbarung
seines Geheimnisses in ihm aufleuchten ließ? Ist er nicht der Fleisch gewordene
Logos, der unseretwegen auch die Geburt aus der Frau nicht verachtete? Wie kann
denn das, was ich sagte, nicht wahr sein? Wir haben schließlich den seligen Gabriel vor
Augen, der zur heiligen Jungfrau sagte:
„Fürchte dich nicht, Maria, siehe, du wirst
schwanger werden, einen Sohn gebären und ihm den Namen Jesus geben.“
Meiner
Meinung nach wurde
dieser Name dem Logos vom Vater durch die Stimme des Engels
neu gegeben.
So hat es schließlich auch der prophetische Spruch im Voraus lauthals
angekündigt:
„Sie werden seinen neuen Namen rufen, den der Herr nennen wird.“ Als
der dem Vater gleich ewige und vor aller Zeit [existente] Sohn und Einziggeborene
also in den letzten Abschnitten des Zeitalters Mensch geworden ist, aus einer Frau ge­
boren worden ist, als Sohn berufen wurde, ‚Erstgeborener‘ hieß und ‚unter viele Brü­
der‘ kam,
da legte der natürliche Vater den Namen fest und folgte damit, um es so zu
nennen, den Gesetzen der Vaterschaft.

29 | 5–6 der‌² … Benjamin]

Vgl. Phil 3,5.

29 | 6 der … Apostel]

Vgl. Röm 1,1; s. auch oben CV7,29,12.

29 | 6–7 die … sind]

Vgl. z.B. Röm 3,30; Gal 2,16.

29 | 7–8 die … Habgier]

Vgl. Kol 3,5.

29 | 8–9 ihr … verborgen]

Kol 3,3.

29 | 10–15 Heiliger … haben]

Joh 17,11–13.

29 | 18–20 Wahrlich … Mitte]

Mt 18,20. Der Satz scheint in seiner hier zitierten Form mit seiner bei Matthäus nicht überlieferten Einleitung und in seiner im Vergleich zu dort variierenden Struktur von dem hier nicht angeführten vorangehenden Vers beeinflusst zu sein (vgl. auch Cyr. Joh. 9, Pusey [1965 (= 1868–1877)], Bd. 4 S. 381,13).

29 | 20–21 ich‌² … Zeit]

Mt 28,20.

29 | 23–24 Apostel … Christus]

Gal 1,1.

29 | 24–27 Ich … Christi]

Gal 1,11f.

29 | 27–28 Wenn … so]

2 Kor 5,16.

29 | 31–37 Wie … wird]

Mit der variierenden Einleitung πάνυ μὲν οὖν. διαμεμνήσομα γὰρ [...] in De incarnatione dem B-Sprecher zugeordnet.

29 | 33–34 Fürchte … geben]
29 | 34–36 Meiner … gegeben]

Nestorius hatte spätestens in seinem zweiten Brief an Kyrill Begriffe wie ‚Herr‘, ‚Jesus‘ und ‚Christus‘ als κοινὰ ὀνόματα definiert (vgl. CV5,3,2 – 9, ACO 1,1,1 S. 29,28–30,4 [Dok. 24]) – zumindest das Begriffspaar ‚Christus Jesus‘ auch schon in einem innerhalb von Contra Nestorium überlieferten Exzerpt (vgl. CV166,V,7,1 – 9, ACO I,1,6 S. 105,8–15 [Dok. 25] = Loofs, Nestoriana S. 358,9–18). Wenn Kyrill hier nun in seinem Schreiben an den Kaiser ‚Jesus‘ als καινὸν ὄνομα bestimmt, könnte das – wenn man De recta fide als christologisch aktuelles Schreiben betrachtet, also eine Priorität gegenüber De in­car­na­tio­ne annimmt – zunächst einmal wie eine allusive Replik auf den Wortgebrauch des Gegners aus­se­hen. Dies kann jedoch zumindest in der hier skizzierten Stoßrichtung nicht zutreffen. Kyrill ver­wen­det dieses Begriffspaar nämlich schon in Schriften, die im Allgemeinen vor den nestorianischen Streitigkeiten angesiedelt werden (vgl. Dial. trin. 5, 551,31–35 Aubert; Thes. 32, PG 75, 516A), wenn es darum geht, den Inkarnierten zu bezeichnen.

29 | 35–36 dieser … gegeben]

Vgl. Mt 1,21; Lk 1,31.

29 | 37 Sie … wird]

Jes 62,2, wo es allerdings καλέσει σε statt καλέσουσι heißt, der Prophezeite also direkt angesprochen wird.

29 | 40–41 Erstgeborener … kam]

Vgl. Röm 8,29; s. auch oben CV7,16,25 – 26.

Die Akten des Konzils von Ephesus 431. Übersetzung, Einleitung, Kommentar

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