CV7: Kyrills Rede über den rechten Glauben an Theodosius

Inhalt: Kyrill widmet Kaiser Theodosius II. eine ausführliche Darstellung des rechten Glaubens. Zu diesem Zweck beschreibt er zunächst in knappen Worten die wichtigsten Häresien, die im Reiche umgehen, um sie anschließend zu widerlegen. Während er die meisten dieser Lehren dabei relativ zügig abhandelt, verwendet er viel Zeit darauf, sich mit der zuletzt vorgestellten, einer dyophysiti­schen Lehre, wie sie Nestorius vertritt, auseinanderzusetzen, wobei er seine eigene Auffassung, die er dieser gegenüberstellt, immer wieder vor Fehlinterpretationen zu schützen versucht.

Edition: Collectio Vaticana 7, ACO I,1,1 S. 42–72; ältere Edd.: Labbé/Cossart (1671–1672), Bd. 3 Sp. 45–105; Coleti (1728–1734), Bd. 3 Sp. 613–672; Mansi, Bd. 4 Sp. 617–680; PG 76, Sp. 1133–1200; Pusey (1965 [= 1868–1877]), Bd. 7 S. 1–152

Verzeichnisnummern: CPG 5218

Verfasser: Kyrill von Alexandria

Datierung: 430

Lat. Übersetzungen:  –

Literatur: van Loon (2009), S. 419–433

(38) Oder soll man nicht sagen, dass es für den der Natur nach aus dem Vater stam­
menden Logos in besonderer Weise angemessen ist, von oben her zu kommen und aus
dem Himmel jene Dinge, denen er Leben eingeben möchte, lebendig machen zu kön­
nen? Wie nun? Sollte man, sag mir, zugeben, dass es zu den menschlichen Eigenschaf­
ten gehöre, auf göttliche Weise zu erschaffen? Keineswegs! Wie denn? Er macht uns
zwar als Gott lebendig, aber nicht nur durch die Teilhabe am Heiligen Geist, sondern
indem er auch das Fleisch, das er angenommen hat, zur Speise gibt. Denn er sagte:
„Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht
esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr kein Leben in euch.“
Als ihn aber damals die
Juden anpöbelten und es darauf anlegten, das Votum für die höheren [Verdienste] aus
irgendeinem Grund dem seligen Mose zukommen zu lassen, und gerade heraus sagten:
„Unsere Väter aßen das Manna in der Wüste, wie geschrieben steht: ‚Brot aus dem
Himmel gab er ihnen zu essen.‘
Welches Zeichen tust du, damit wir dir glauben? Was
bewirkst du
in dem Sinn, dass du uns von oben her und aus dem Himmel den Leib
bringst?“,
sagt er: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das wahr­
haftige Brot vom Himmel gegeben. Denn es ist das Brot Gottes, welches herabsteigt
vom Himmel und der Welt Leben spendet.“
Und darauf wieder, indem er beinahe
schon mit dem Finger auf sich in körperlicher Gestalt zeigt, sagt er: „Ich bin das le­
bendige Brot, das vom Himmel hinabgestiegen ist. Wenn jemand von diesem Brot isst,
wird er in Ewigkeit leben. Und das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das
Leben der Welt.
Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, bleibt in mir und ich in
ihm. Wie mich der lebendige Vater entsandt hat und ich durch den Vater lebe, wird
derjenige, der mich isst, durch mich leben.“
Wie wäre es nun aber nicht richtig zu
sagen, dass das Fleisch nicht vom Himmel herabgekommen ist, sondern aus der Jung­
frau stammte, wenn man nach den Schriften geht?

Der Logos ist allerdings nicht essbar, sondern wir erkennen aufgrund beinahe un­
zähliger Aussagen, dass er die Eigentümlichkeiten der Naturen
gemäß dem auf den
Heilsplan bezogenen Zusammenschluss beide zu einem vereint.
Denn dem Nikode­
mus, der das Geheimnis nicht versteht, und törichterweise ausruft: „Wie kann das ge­
schehen?“,
sagt er: „Wenn ich euch die irdischen Dinge verkünde und ihr nicht glaubt,
wie werdet ihr glauben, wenn ich euch die himmlischen Dinge verkünde? Und nie­
mand ist in den Himmel aufgestiegen außer dem, der vom Himmel herabgestiegen ist,
dem Menschensohn.“
Den Juden aber, die an dem gleichen Mangel an Bildung wie
jener litten und aus irgendeinem Grund beschlossen hatten, ihn zu verlachen, da er
meinte, dass sein eigener Leib lebenspendend sei und vom Himmel [komme], sagte er:
„Nehmt ihr daran Anstoß? Wenn ihr nun den Menschensohn dorthin aufsteigen seht,
wo er zuvor war?“
Oder sagen wir etwa nicht, dass der Immanuel aus einer Frau ge­
boren wurde? Wo war er also zuvor oder wie ist er dorthin aufgestiegen, wo er selbst
behauptet zu sein, obwohl der mit ihm geeinte Leib durch die heilige Jungfrau gebo­
ren worden ist? Sollten wir aber nicht auch bekennen, dass das irdische Fleisch ohne
Wirkung ist, wenn es darum geht, Leben spenden zu können, soweit es seine eigene
Natur anbelangt? Auf welche Weise, sag mir, ist das Fleisch also lebenspendend? Oder
wie wird das von der Erde [Stammende] auch als vom Himmel [kommend] aufgefasst?
Gemäß der Einung natürlich, der Einung mit dem lebendigen Logos aus dem Himmel
meine ich.
Auf diese Weise werden wir nämlich vollkommen richtig und in Überein­
stimmung mit den heiligen Worten denken. Denn er könnte wohl nicht auf andere
Weise sein und verhält sich als Schöpfer göttlich, auch wenn er nicht vom Fleisch ge­
trennt wahrgenommen wird.

38 | 8–9 Wahrlich … euch]

Joh 6,53.

38 | 12–13 Unsere … essen]

Joh 6,31.

38 | 12–13 Brot … essen]

Vgl. Ps 77(78),24.

38 | 13–14 Welches … in]

Joh 6,30.

38 | 14–15 in … bringst]

Wie die Stellenangaben zeigen, zitiert Kyrill hier recht frei aus Joh 6. Diese Partizipialkonstruktion, die man grammatisch noch als Teil der vorangehenden Frage ansehen muss, ist ein regelrechter Zusatz zu den johanneischen Vor­ga­ben, der in seiner Formulierung und Aussage klar kyrillische Züge trägt (vgl. z.B. Jes. PG 70, 96C; 957C).

38 | 15–17 Wahrlich … spendet]

Joh 6,32f. unter Auslassung des Teilsatzes ἀλλ’ ὁ πατήρ μου δίδωσιν ὑμῖν τὸν ἄρτον ἐκ τοῦ οὐρανοῦ.

38 | 18–21 Ich … Welt]

Joh 6,51.

38 | 21–23 Wer … leben]

Joh 6,56f.

38 | 23–28 Wie … vereint]

Zit. im Florilegium Cyrillianum 153.

38 | 26–28 Der … vereint]

Vgl. hierzu CV149,45,4 – 7, ACO 1,1,5 S. 59,14f. (Dok. 41).

38 | 27–28 gemäß … vereint]

συλλέγων κατὰ σύμβασιν οἰκονομικὴν: In De incarnatione verwendet Kyrill an dieser Stelle die Wendung συλλέγων, καὶ ὥσπερ ἀλλήλοις ἀνα­κιρ­νάς, spricht also u.a. auch von einer Vermischung. Eine solche Position ist mit der später gefundenen Unionsformel (vgl. CV127,5, ACO I,1,4 S. 17,15) nur schwerlich vereinbar. In ähnlicher Weise äußert sich Kyrill auch schon in CV1,12,37 – 39, ACO I,1,1 S. 15,32f. (Dok. 5), anders aber z.B. oben CV7,36,18.

38 | 29–30 Wie … ge­schehen]

Joh 3,9; vgl. oben CV7,23,8 – 9.

38 | 30–33 Wenn … Menschensohn]

Joh 3,12f.

38 | 36–37 Nehmt … war]

Joh 6,61f.

38 | 37–45 Oder … ich]

Zit. im Florilegium Cyrillianum 154.

38 | 44–45 Gemäß … ich]

In De incarnatione mit οἶμαι statt δηλονότι dem B-Sprecher zugeordnet.

Die Akten des Konzils von Ephesus 431. Übersetzung, Einleitung, Kommentar

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