CV7: Kyrills Rede über den rechten Glauben an Theodosius

Inhalt: Kyrill widmet Kaiser Theodosius II. eine ausführliche Darstellung des rechten Glaubens. Zu diesem Zweck beschreibt er zunächst in knappen Worten die wichtigsten Häresien, die im Reiche umgehen, um sie anschließend zu widerlegen. Während er die meisten dieser Lehren dabei relativ zügig abhandelt, verwendet er viel Zeit darauf, sich mit der zuletzt vorgestellten, einer dyophysiti­schen Lehre, wie sie Nestorius vertritt, auseinanderzusetzen, wobei er seine eigene Auffassung, die er dieser gegenüberstellt, immer wieder vor Fehlinterpretationen zu schützen versucht.

Edition: Collectio Vaticana 7, ACO I,1,1 S. 42–72; ältere Edd.: Labbé/Cossart (1671–1672), Bd. 3 Sp. 45–105; Coleti (1728–1734), Bd. 3 Sp. 613–672; Mansi, Bd. 4 Sp. 617–680; PG 76, Sp. 1133–1200; Pusey (1965 [= 1868–1877]), Bd. 7 S. 1–152

Verzeichnisnummern: CPG 5218

Verfasser: Kyrill von Alexandria

Datierung: 430

Lat. Übersetzungen:  –

Literatur: van Loon (2009), S. 419–433

(41) Oder glauben wir etwa nicht, dass der Immanuel in den letzten Abschnitten
des Zeitalters von der heiligen {und gottgebärenden} Jungfrau geboren worden ist?
Wie könnte das nicht richtig sein? Das ‚gestern und heute‘, mein christusliebender
Kaiser, zeigt uns die gegenwärtige und die schon vergangene Zeit an. Wie kann er also
im Hinblick auf die Vergangenheit derselbe sein, obwohl ihm die Entstehung dem
Fleisch nach noch nicht zuteil geworden ist? ‚Der Logos war‘ natürlich ‚am Anfang‘, 
und da er aus dem ewigen und unwandelbaren Gott und Vater heraus in Erscheinung
getreten ist, besitzt er das Ewige und Unwandelbare auch selbst in seiner eigenen
Natur.
Oder ist Jesus Christus etwa kein vollkommen neuer und dem Logos in den
Zeiten der Menschwerdung zugekommener Name?
Auch das wurde uns durch über­
aus viele Aussagen bewiesen.
Erkenne nun, dass er [sc. Paulus] sagt, Christus Jesus
und nicht bloß der Logos
‚sei gestern und heute derselbe, und in Ewigkeit‘. Wie könn­
te wohl die Natur des Menschen das Unwandelbare und die Fähigkeit besitzen, im
selben Zustand zu verweilen, wo sie doch der Bewegung unterliegt, und vor allem der,
die aus dem Nicht-Sein ins Sein und Leben führt? Hat die Heilige Schrift also bei uns
die Wahrheit verfehlt und sagt sie, dass derjenige, den es gestern nicht gab, schon
vorher existierte?
Das möchte ich nicht behaupten, und es wäre auch weit gefehlt
(schließlich ist Christus Jesus gestern, heute und in Ewigkeit derselbe). Und ich werde
keineswegs den Altersvorrang und die Beständigkeit des Logos in Abrede stellen, auch
wenn er Fleisch geworden ist. Doch ich will glauben, dass er sich der Einung entspre­
chend zusammen mit seinem eigenen Fleisch wieder als derselbe offenbart, der er
gestern und vorher war. Und daher empfand der abwegig denkende Jude Abscheu und
wollte ihn steinigen, da er den Glauben nicht annahm.
Denn er wunderte sich darüber,
dass er [sc. Christus], obwohl er sich als Mensch wie wir zeigte, für sich beanspruchte,
ein Alter, das für Menschen nicht erreichbar ist, zu übersteigen, indem er als Gott
sagte: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Bevor Abraham entstand, bin ich“, als jene
darauf bezogen gesagt hatten: „Du zählst noch keine fünfzig Jahre und hast Abraham
gesehen?“.
Und auch Johannes sagte: „Der ist es, über den ich gesagt habe: Nach mir
kommt ein Mann, der vor mir geboren ist, weil er im Vergleich zu mir zuerst da war.“
 
Doch wie kann er, wenn er einen Mann als den Immanuel erkannt hat und benennt,
behaupten, dass der später und nach ihm Geborene vor ihm und zuerst geboren sei?
Vielleicht wird aber jemand sagen: ‚Er meint, dass er dem Ansehen nach davor und
zuerst geboren ist, wie es mir zumindest naheliegt zu denken.‘
Dass es jedoch falsch
und töricht ist, so zu denken, wird uns eine kurze Überlegung zeigen. Denn wenn wir
das ‚vor‘ als bezogen auf die Überlegenheit im Ansehen auffassen, müssen wir dem
gleichen Grundsatz nach sagen, dass das ‚nach‘ klar und deutlich den zweiten Rang im
Ruhm bezeichne. Es wird uns also gleichsam zwangsweise widerfahren, törichterweise
anzunehmen, dass Christus hinter dem Ansehen des Johannes zurückstehe und hin­
terherlaufe. Der sagte ja: „Nach mir kommt ein Mann.“Wie widersinnig! Wir werden
schließlich glauben, dass es sich nicht so verhalte, wenn wir das, was in den Psalmen
geschrieben steht, richtig verstanden haben:
„Wer in den Wolken wird dem Herrn
gleichkommen, und wer wird dem Herrn gleich sein unter den Söhnen Gottes?“
Man
muss ihm also auch im Fleisch das überaus hohe Alter zuschreiben, da er als Gott der
Natur nach mit Fleisch geeint ist und die Güter der eigenen Natur mit dem eigenen
Leib zu teilen pflegt.

41 | 2 und gottgebärenden]

Schwartz tilgt dieses zusätzliche Attribut aufgrund des Vergleichs mit De incarnatione.

41 | 6–9 Der … Natur]

In De incarnatione mit einer leichten Variante am Anfang dem B-Spre­cher zugeordnet.

41 | 6 Der … Anfang]

Vgl. oben CV7,40,2.

41 | 9–11 Oder … bewiesen]
41 | 10–11 Auch … bewiesen]

In De incarnatione dem B-Sprecher zugeordnet.

41 | 11–12 Christus … Ewigkeit]

Vgl. oben CV7,40,21.

41 | 12 sei … Ewigkeit]

Vgl. oben CV7,40,21.

41 | 15–17 Hat … existierte]

In De incarnatione als eine in eigenem Interesse gestellte Frage dem B-Sprecher zu­ge­ordnet.

41 | 18 schließlich … derselbe]

Vgl. oben CV7,40,21.

41 | 22–23 Und … annahm]

Vgl. Joh 10,31–38; s. auch oben CV7,33,6 – 8.

41 | 26–28 Wahrlich … gesehen]

Joh 8,58. 57; vgl. oben CV7,12,25 – 27.

41 | 28–29 Der … war]

Joh 1,30.

41 | 32–33 Er … denken]

In De incarnatione dem B-Sprecher zugeordnet.

41 | 37 Es … widerfahren]

συμβήσεται τοίνυν ὡς ἐξ ἀνάγκης ἡμῖν: in De incarnatione = περιέστη δὴ οὖν, ὡς ἔοικε (es kommt also, wie es scheint, dazu).

41 | 39 Nach … Mann]
41 | 39–42 Wie … Gottes]

In De incarnatione mit leicht variierender Einleitung dem B-Sprecher zugeordnet.

41 | 41–42 Wer … Gottes]

Ps 88(89),7.

Die Akten des Konzils von Ephesus 431. Übersetzung, Einleitung, Kommentar

Impressum

Förderung und Partner

  • Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
  • Universität Bonn
  • Universität Bern
Logo DFG
Logo Universität Bonn
Logo Universität Bern