Von dieser Stelle an zeigt die Rede deutliche inhaltliche und wörtliche Parallelen zu Kyrills Abhandlung De incarnatione unigeniti. Die hier teils einfach monologische, teils aber auch durch einen fiktiven Interlokutor oder direkte Ansprache an den Adressaten dialogisch gestaltete Rede, erscheint dort als echter Dialog. Welches der Werke dem anderen vorangeht, ist in der Forschung umstritten: während z.B. Schwartz (ACO I,1,1 S. 42,8f.) und Pusey (1965 [= 1868–1877], Bd. 7 S. VIII) davon ausgehen, dass De recta fide das ursprüngliche Werk sei, plädieren u.a. de Durand (1964, S. 52–57) und van Loon (2009, S. 419–425) für die Priorität von De incarnatione. Zumindest de Durand geht dabei davon aus (van Loon hält es immerhin für möglich), dass De incarnatione sogar noch vor dem nestorianschen Streit verfasst worden ist und es sich hierbei um jene Schrift handele, die Kyrill am Ende seines ersten Briefes an Nestorius erwähnt (vgl. ACO I,1,1 S. 24,19–25). Während eine Analyse der Unterschiede zwischen den beiden Werken tatsächlich die Vermutung nahelegt, dass De recta fide eine im Detail präzisierende, gegen mögliche Einwände besser abgesicherte Revision von De incarnatione darstellt, bleibt bei einer angenommenen Abfassungszeit vor 425 (Tod des Attikos von Konstantinopel) auf jeden Fall die Frage, wer eigentlich die protonestorianischen Gegner sind, die hier so überproportional umfangreich widerlegt werden. Auffallend bleibt aber auf jeden Fall, dass sich in De recta fide im Vergleich zu z.B. dem Brief an die ägyptischen Mönche (CV1 [Dok. 5]) und der Schrift Ad augustas kaum Bezüge auf konkrete und durch erhaltene Fragmente belegte Elemente der nestorianischen Christologie finden.