Kyrill verwendet in diesem Brief relativ viel Raum darauf (vgl. unten CV1,20,7 – 8; CV1,21,1 – 22; CV1,23,18 – 19; CV1,26,1 – 3), die Anschauung zu widerlegen, dass der Mensch, den Maria geboren hat, ein Werkzeug der Gottheit sei. In seinen späteren Schriften, die er im Rahmen der Streitigkeiten verfasst hat, misst er diesem Thema hingegen anscheinend keinen allzu großen Wert mehr bei. Nicht zuletzt daher stellt sich die Frage, warum es ihn in dieser frühen Phase der Auseinandersetzung so reizt. Schließlich vertrat auch Athanasius, dessen Lehre er als maßgeblich für den rechten Glauben betrachtete, den Leib Christi als Werkzeug des göttlichen Logos. Athanasius spricht in diesem Zusammenhang mitunter davon, dass der Logos sich den menschlichen Leib angeeignet habe (vgl. z.B. De inc. 8,3), wie es auch Kyrill wiederholt betont (vgl. z.B. oben CV1,12,26 – 28; unten CV1,24,7 – 9), zuweilen formuliert er jedoch auch so, dass er zwischen dem Reden und Handeln des göttlichen Anteils in Christus und dem des menschlichen differenziert (vgl. z.B. Contra Ar. 3,25,1). In diesem Punkt scheint der große Kirchenvater gar nicht allzu weit von den Thesen des Nestorius entfernt zu sein, wenn man diese unvoreingenommen betrachtet. Dieser hatte seine Ansichten jedoch zum Teil sehr scharf formuliert, so dass das Werkzeug bei ihm als etwas erscheinen konnte, das keine ontologische Verbindung mehr zu seinem Nutzer hat (vgl. z.B. Nestoriana S. 252,10f. ≈ CPal20,51 – 52, ACO I,2 S. 30,10f. [Dok. 1]: non peperit creatura increabilem, sed peperit hominem deitatis instrumentum [das Geschöpf hat nicht den nicht Erschaffbaren geboren, sondern es hat den Menschen als Werkzeug der Gottheit geboren]). Möglicherweise hat Kyrill Aussagen wie diese mit Lehrmeinungen assoziiert, die ursprünglich gar nicht in einem spezifisch christologischen, sondern vielmehr in einem trinitarischen Kontext standen, nämlich Lehren, die zum Inhalt hatten, dass Gott, der Vater, den Menschen Jesus als sein Werkzeug nutzt. Jedenfalls hatte sich der Alexandriner in den Jahren vor den Streitigkeiten mehrfach als entschiedener Gegner solcher Anschauungen gezeigt (vgl. z.B. Thes. 4, PG 75, 53A–B; Joh. 9,1, Pusey [1965 (= 1868–1877)], Bd. 4 S. 439,8–440,10).