Brief Kyrills, des Bischofs von Alexandria, an Coelestin, den Bischof von Rom:
Kyrill grüßt den überaus heiligen und gottgefälligen Vater Coelestin im Herrn.
(1) Wenn es möglich gewesen wäre zu schweigen und, ohne Deiner Gottesfurcht
alles, was in Bewegung gerät, zu schreiben, dem Tadel zu entgehen und dem, was be‐
sonders auch in so dringlicher Lage, wo sogar die Richtigkeit des Glaubens von eini‐
gen ins Schwanken gebracht wird, beschwerlich erscheint, entkommen zu können,
hätte ich zu mir gesagt: ‚Das Schweigen ist schön und gefahrlos und es ist besser,
ruhig zu bleiben als in Unruhe zu geraten.‘ Da aber Gott von uns in dieser Situation
Nüchternheit verlangt und die langen Traditionen der Gemeinden dazu aufrufen, sich
mit Deiner Heiligkeit zu beraten, schreibe ich wieder gezwungenermaßen und lege
dabei Folgendes offen: Der Satan wirft auch jetzt alles durcheinander, rast gegen die
Gemeinden Gottes und versucht, die Menschen allerorten, wenn sie im Glauben den
rechten Weg gehen, umzudrehen. Denn jenes in jeder Hinsicht schändliche Tier, das
sich leicht zur Gottlosigkeit treiben lässt, gibt keine Ruhe. Ich habe daher die vergan‐
gene Zeit über geschwiegen und überhaupt gar nichts an Deine Frömmigkeit geschrie‐
ben über jenen, der nun in Konstantinopel sitzt und die Gemeinde verwaltet, und auch
nicht an einen anderen unter den Mitdienern, da ich der Meinung war, dass Voreilig‐
keit in dieser Situation nicht in dem Bereich läge, der frei von Tadel wäre. Da wir aber
gleichsam auf dem Höhepunkt des Übels angekommen sind, glaubte ich, die Zunge
schließlich notgedrungen loslassen und alles, was sich getan hat, berichten zu müssen.