CV149: Kyrills Rede an die Augustae über den Glauben

Inhalt: Kyrill richtet sich in seinem Schreiben nach seiner Rede ‚Ad dominas‘ (Dok. 40) ein zweites Mal an von ihm als ‚Kaiserinnen‘ angesprochene Adressatinnen, um diese in ihrem rechten Glauben zu bestärken. Zu diesem Zweck führt er, geordnet nach verschiedenen Glaubensfragen, eine Vielzahl von Zitaten aus den neutestamentlichen Schriften an, mehrheitlich solche, die auch eine Interpretation im Sinne einer nestorianischen Christologie zulassen. Diese kommentiert er dann jeweils unmittelbar im Anschluss und deutet sie dabei entsprechend seiner eigenen Position aus, die nachdrücklich die Einheit Christi betont.

Edition: Collectio Vaticana 149, ACO I,1,5 S. 26,2–61,31; ältere Edd.: PG 76, Sp. 1336–1420; Pusey (1965 [= 1868–1877]), Bd. 7 S. 263–333

Verzeichnisnummern: CPG 5220

Verfasser: Kyrill von Alexandria

Datierung: 430

Lat. Übersetzungen:  –

Literatur: van Loon (2009), S. 454–474

(10) „Er nimmt nämlich keineswegs die Engel [sc. in ihrer Natur o.ä.] an, sondern
er nimmt die Nachkommenschaft Abrahams an.
Daher musste er seinen Brüdern in
jeder Hinsicht gleich werden, auf dass er barmherzig würde und ein zuverlässiger
Hohepriester gegenüber Gott, um gnädig zu sein gegenüber den Sünden des Volkes.
Worin er nämlich selbst gelitten hat, als er versucht wurde, [darin] kann er denen, die
versucht werden, helfen.“
Wir sagen, der Logos Gottes habe die Nachkommenschaft
Abrahams angenommen. Er ist nämlich im Hinblick auf das, was das Fleisch anbe­
langt, aus den Juden erwachsen und wurde den Brüdern in jeder Hinsicht gleich, inso­
fern er es auf sich nahm, die ‚Gestalt des Knechtes anzunehmen‘ und ‚den Menschen
gleich zu werden‘,
wie der selige Paulus sagt. Er heißt ja unter dieser Voraussetzung
auch Menschensohn und wurde zum Bruder für jene, die der Nachkommenschaft
Abrahams [entstammen] oder eben in Blut und Fleisch [existieren].

Was ist denn also der Grund dafür? „Auf dass er barmherzig würde“, heißt es, „und
ein zuverlässiger Hohepriester, was Gott anbelangt.“
Christus wurde nämlich zu ei­
nem barmherzigen Hohepriester für uns in dem Sinn, dass die Gesetzesschrift jene,
die gesündigt haben, verurteilt und denen, die das göttliche Gebot missachten, das
Urteil zukommen lässt, bestraft werden zu müssen. „Wenn nämlich jemand das Ge­
setz des Mose verwirft, stirbt er ohne Mitleid auf zwei oder drei Zeugen hin.“
Christus
rechtfertigt allerdings im Glauben und entlässt jene, die schwach geworden sind, aus
ihren alten Anklagen. Er wurde also zum barmherzigen Hohepriester, der es nicht
mehr zuließ, dass die strengen Regeln des Gesetzes herrschten, sondern zuverlässig
ist, weil er beständig ist und dauerhaft und würdig in Bezug auf den Glauben an das,
was versprochen worden ist. Wie nämlich ebenfalls der selige Paulus selbst an einer
Stelle über die den Gesetzen nach Heiligen sagt: „Es gibt recht viele, die Priester ge­
worden sind, da der Tod sie daran hinderte zu bleiben. Dieser hat aber die unbegrenzte
Priesterschaft inne, da er bis in Ewigkeit bleibt. Daher kann er auch jene, die durch ihn
zu Gott gelangen, vollständig retten, da er allezeit lebt, um für sie zu bitten.“
Beachte
nun, dass er nicht Priester geworden ist, um jene, die gesündigt haben, zu verurteilen,
sondern vielmehr, um ihren Sünden gegenüber gnädig zu sein. Was ist aber wohl der
Charakter der Versuchung und des Opfers? „Worin er“, heißt es, „selbst gelitten hat,
als er versucht wurde, [darin] kann er denen, die versucht werden, helfen.“
Er hat
nämlich ausgehalten, als er versucht worden ist, und das Kreuz erduldet. Der Sohn hat
sich allerdings selbst Gott, dem Vater, als untadeliges Opfer dargebracht, um durch
sein eigenes Fleisch denen zu helfen, die leiden und versucht werden. „Denn durch
eine einzige Opfergabe“, heißt es, „hat er jene, die geheiligt werden, auf Dauer zur
Vollendung gebracht.“
Er wurde denn also selbst zum Hohepriester auf Ebene des
Menschlichen, obwohl er von allen die Opfer in göttlicher Weise angenommen hat,
selbst zum Opfer dem Fleisch nach, obwohl er selbst derjenige ist, der sich gegenüber
unseren Sünden der Vollmacht der Gottheit nach gnädig zeigt. Einer ist denn also der
Herr Jesus Christus.

10 | 1–6 Er … helfen]

Hebr 2,16–18.

10 | 1–2 Er … an]

Der Satz wird in den modernen Übersetzungen (anders z.B. in der Vulgata) gewöhnlich ungefähr wie folgt wiedergegeben: „Denn er nimmt sich keineswegs der Engel an, sondern der Nachkommen Abrahams nimmt er sich an.“ Es geht also um die Frage, auf wen sich die Sorge Christi richtet. Kyrill scheint die Aussage jedoch, wie sich auch im Folgenden zeigt, wie auch viele seiner Zeitgenossen durchgängig anders zu verstehen. Für ihn geht es darum, welche Natur Christus annimmt (sich aneignet), um den Heilsplan zu erfüllen. Vgl. hierzu auch besonders CV7,11,17 – 19, ACO 1,1,1 S. 49,25–27 (Dok. 39): ἐπεδράξατο γὰρ ὁ μονογενὴς οὐχὶ τῆς ἰδίας φύσεως [...], ἀλλ’ οὐδὲ τῆς ἀγγέλων, ἀλλὰ σπέρματος Ἁβραάμ, καθὰ γέγραπται (Denn der Einziggeborene ergriff nicht seine eigene Natur [...] und auch nicht die der Engel, sondern [die] ‚der Nachkommenschaft Abrahams‘). An dieser Stelle zeigt Kyrills Deutung in der Wortwahl eine auffällige Ähnlichkeit zu der Homilie V des Johannes Chrysostomos über den Hebräerbrief, PG 63, 46D: Τί ἐστιν ὅ φησιν; Οὐκ ἀγγέλου φύσιν ἀνεδέξατο, ἀλλ’ ἀνθρώπου. Τί δέ ἐστιν, Ἐπιλαμβάνεται; Οὐκ ἐκείνης, φησίν, ἐδράξατο τῆς φύσεως τῶν ἀγγέλων, ἀλλὰ τῆς ἡμετέρας (Was bedeutet es, was er sagt? Nicht eines Engels Natur hat er aufgenommen, sondern eines Menschen. Was bedeutet aber: Er hat angenommen? Er hat nicht jene Natur der Engel ergriffen, sondern unsere).

10 | 9–10 Gestalt … werden]

Vgl. Phil 2,7.

10 | 13–14 Auf … anbelangt]
10 | 17–18 Wenn … hin]

Hebr 10,28.

10 | 20 alten Anklagen]

ἀρχαῖα αἰτιάματα: anscheinend von Kyrill geprägte Wendung, die sich auch fast ausschließlich bei ihm findet.

10 | 24–27 Es … bitten]

Hebr 7,23–25.

10 | 30–31 Worin … helfen]
10 | 33 selbst … dargebracht]

Vgl. Hebr 9,14.

10 | 34–36 Denn … gebracht]

Hebr 10,14.

Die Akten des Konzils von Ephesus 431. Übersetzung, Einleitung, Kommentar

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