(3) 1. So sagt er [sc. Paulus] auch unter anderem: „Er hat zu uns durch den Sohn
gesprochen, den er als Erben aller Dinge eingesetzt hat, durch den er auch die Zeiten
erschaffen hat; derjenige, der Abglanz der Herrlichkeit ist.“ Nachdem er die Bezeich‐
nung ‚Sohn‘ gesetzt hat, nennt er ihn ohne Bedenken ‚Abglanz der Herrlichkeit‘ und
eingesetzten ‚Erben‘ – eingesetzten ‚Erben‘ im Hinblick auf das Fleisch, ‚Abglanz der
Herrlichkeit‘ des Vaters aber im Hinblick auf die Gottheit. Er steht der Gleichheit mit
dem Vater nämlich, auch wenn er Fleisch geworden ist, nicht fern.
2. Und zudem spricht er auch ein andermal folgendermaßen: „Nachdem Gott
nämlich die Zeiten der Unkenntnis übersehen hat, befiehlt er jetzt allen Menschen,
Buße zu tun. Daher hat er einen Tag festgelegt, an dem er die Welt richten will durch
einen Mann, den er bestimmt hat, wobei er allen ein Glaubenspfand gegeben hat, in‐
dem er ihn von den Toten auferstehen ließ.“ Nachdem er zuvor ‚durch einen Mann‘
gesagt hat, fügt er dann ‚indem er ihn von den Toten auferstehen ließ‘ hinzu, auf dass
niemand argwöhne, die Mensch gewordene Gottheit sei gestorben.
Wer ist nun also der Fleischgewordene, oder auf welche Weise ist er Fleisch gewor‐
den? Was für eine Gottheit ist es, 〈die〉 Mensch geworden ist? Könntest du es wohl,
mein Bester, den Wissbegierigen sagen? Werden wir also zugeben, dass der aus Gott
[gezeugte] Gott-Logos Fleisch geworden ist, und sagen wir, dass er Mensch geworden
ist, in dem Sinn, dass er wie wir geworden und im Fleisch geboren worden ist? Oder
das auf keinen Fall? Sollen wir stattdessen annehmen, dass ein Mensch bis dahin ge‐
kommen sei, weil er mit Gott verbunden ist, wie du meinst? Ich glaube jedoch, du
könntest vielleicht sagen, dass es irgendwie besser und weise sei anzunehmen, dass der
aus Gott [gezeugte] Logos entsprechend den Schriften Mensch und Fleisch geworden
ist. Denn man findet vermutlich niemanden, glaube ich, der das hinzunimmt, worin er
existiert. Wenn er aber irgendwie dahin gelangt, wo er anfänglich nicht war, zeigt die
Überlegung wohl sofort, dass in Bezug auf ihn etwas Neues eingetreten ist. Es ist
daher ungebildet zu sagen, dass einer, der zu den Unsrigen zählt, Mensch und Fleisch
geworden sei, auch wenn er die Grenzen der Menschheit überschritten hat. Die
Menschwerdung oder eben die Fleischwerdung kommt vielmehr, und zwar vollkom‐
men zu Recht, der über die Menschheit hinausgehenden Natur zu. Wenn er aber
wahrhaft Mensch und Fleisch geworden ist, ist der Glaube darin gegründet, dass er als
Mensch verstanden wird und nicht als ein mit irgendeinem Menschen Verbundener
nach Art einer bloßen Einwohnung oder eben einem äußerlichen Verhältnis oder einer
Verbindung, wie du sagst. Doch auch wenn er Mensch geworden ist, behält er das
Gott-Sein ohne Verlust. Wir sagen aber auch nicht, dass eine Verwandlung des Flei‐
sches in die Natur der Gottheit stattgefunden habe, und glauben, dass auch das
Gegenteil nicht in dieser Form zutrifft. Die [Natur] des Logos ist nämlich geblieben,
was sie ist, auch wenn sie mit dem Fleisch geeint wurde. Was also niemand auch nur in
bloßen Erwägungen denken möchte, aus welchem Grund fügst du das, als sei es wahr
gesprochen, in deine eigenen Reden ein und gibst vor, für die Lehren der Frömmigkeit
zu kämpfen? Denn den Begriff der Mischung haben auch einige der heiligen Väter
verwendet.Wenn du 〈aber〉 sagst, du fürchtetest, es könne angenommen werden, dass
eine Vermengung stattgefunden habe, wie es bei miteinander vermischten Flüssig‐
keiten vorkommt, befreie ich dich von den Befürchtungen! So haben sie nämlich nicht
gedacht. Woher auch? Sie haben von dem Ausdruck stattdessen nicht im eigentlichen
Sinne Gebrauch gemacht, als sie bemüht waren, die vollendete Einung der zusammen‐
kommenden [Elemente] zu erklären. Wir aber sagen, dass der aus Gott [gezeugte]
Logos in einer unzertrennbaren Einung und, ohne sich zu verändern, mit dem eigenen
Fleisch zusammengekommen ist. Wir werden aber herausfinden, dass auch die göttlich
inspirierte Schrift den Ausdruck nicht streng prüft, sondern vielmehr unbefangen
nicht im eigentlichen Sinn benutzt. Der Göttliches kündende Paulus hat jedenfalls
über gewisse Menschen geschrieben: „Doch das gehörte Wort brachte jenen keinen
Nutzen, da sie nicht im Glauben mit denen vermischt waren, die gehört hatten.“
Sollten jene, von denen die Rede ist, sich denn etwa auf die gleiche Weise miteinander
vermischen wie zum Beispiel Wasser mit Wein, und irgendeine Vermengung der
Hypostasen untereinander erfahren oder eher in Hinblick auf die Seele geeint werden,
dem entsprechend, was in den ‚Taten der heiligen Apostel‘ geschrieben steht: „Ein
Herz und eine Seele war die Menge derer, die zum Glauben fanden“? Ich zumindest
glaube, das trifft eher zu als jenes. Raus nun aus den dahingehenden Befürchtungen!
Vollkommen untrüglich ist nämlich der Sinn der Heiligen.
Da es aber, glaube ich, nichts anderes ist zu sagen, dass die Natur des Logos
Mensch geworden sei, als Folgendes anzunehmen, [nämlich] dass er Mensch gewor‐
den ist, und zwar nicht ohne die Geburt durch eine Frau – schließlich kennt die Natur
der menschlichen Körper allein diesen Weg –, warum hast du dich nicht im Hinblick
auf die fleischliche Geburt des Einziggeborenen von der göttlich inspirierten Schrift
belehren lassen? Nun sagst du aber selbst, wenn dir die Prophetenstelle „ein Kindlein
wurde uns geboren und ein Sohn wurde uns geschenkt“ vorliegt, über das geborene
Kindlein solche Dinge: