(2) Wenn sich nun die göttliche Schrift anschickt, entweder die Geburt Christi aus
der seligen Jungfrau heraus zu erwähnen oder den Tod, zeigt es sich, dass sie nirgend‐
wo den 〈Begriff〉 Gott setzt, sondern Christus, Sohn oder Herr, da diese drei Bezeich‐
nungen beiden Naturen gehören, mal dieser, mal jener, mal auch dieser und jener. Zum
Beispiel meine ich: Wenn uns die Schrift von der Geburt durch einen Menschen
berichtet, was sagt sie? „Gott entsandte seinen Sohn.“ Sie sagte nicht: ‚Gott entsandte
den Gott-Logos‘, sondern greift auf den Begriff zurück, der beide Naturen anzeigt.
Weil nämlich der Sohn Mensch und Gott ist, sagt sie: „Er entsandte seinen Sohn, ent‐
standen aus einer Frau“, auf dass du, wenn du ‚entstanden aus einer Frau‘ hörst,
daraufhin den vorliegenden Begriff erkennst, der beide Naturen anzeigt, {damit} du
die Geburt durch die selige Jungfrau [die des] Sohnes nennst. Denn eben die christus‐
gebärende Jungfrau gebar Gottes Sohn, doch da der Sohn Gottes den Naturen nach
zweifach ist, gebar sie nicht den Sohn Gottes, sondern gebar die Menschheit, die
durch den verbundenen Sohn Sohn ist.
Wir jedoch, mein Freund, die wir es verstehen, Gedanken zu denken, die besser als
dein Gezwitscher sind, und der Blickrichtung der göttlich inspirierten Schrift folgen,
die einen Vater und Gott nennt, aus dem alles ist, und einen Herrn Jesus Christus,
durch den alles zur Entstehung gebracht wurde, wenn wir hören, dass Christus von
der heiligen Jungfrau geboren worden ist, dann, ja dann bemühen wir uns, und zwar
mit wachem Verstand, geradewegs den Weg der Wahrheit zu beschreiten, und sagen,
dass der aus Gott, dem Vater, entstandene Logos Mensch geworden ist, sich hypo‐
statisch mit dem Fleisch geeint hat und dem Fleisch nach geboren wurde. Und deine
Sophisterei in diesem Punkt werden wir nicht ertragen, sondern einzig und allein dem
naturhaften Sohn gebührenderweise den Namen ‚Christus‘ zuweisen, wenn die Ge‐
burt durch die heilige Jungfrau genannt wird. Gemeinschaftlich mag ihm und anderen
ja, wie ich sagte, diese Art von Namen der Übereinkunft nach sein. Es gibt schließlich
der Gnade nach viele Söhne und viele Götter und Herren im Himmel und auf der
Erde, wie uns auch der Göttliches kündende Paulus schreibt, nur eben auf Grundlage
einer Teilhabe an dem, der es der Natur nach ist, und in Form von Nachahmung. Der
Name ‚Christus‘ und der Sachverhalt kommen jedoch wohl auf keinen Fall dem nack‐
ten, aus dem Vater existierenden Logos zu, wenn er von uns für sich und außerhalb des
Fleisches wahrgenommen wird. Wenn gesagt wird, dass er sich entäußert hat, er in der
Gestalt eines Knechtes herabgekommen und wie wir geworden ist durch das Fleisch,
soll er auch selbst, da er gesalbt worden ist, den Namen ‚Christus‘ tragen. Es ist
schließlich der Logos, der Gott ist, nicht seiner eigenen Natur nach gesalbt worden.
Die Salbung ist ihm vielmehr in Beziehung auf das Menschliche zuteil geworden.
Wenn unter diesen Bedingungen also zuvor jenes eingetreten ist, {woran} die Salbung
erfolgt ist (es ist ja seine Menschwerdung, an der die Salbung geschieht), wollen wir,
wenn uns der Name Christus genannt wird, nicht deiner Geschwätzigkeit folgend
bloß vermuten, dass ein Mensch, der vom Logos getrennt ist und separat besteht, von
der heiligen Jungfrau geboren wurde, sondern, wie ich sagte, der aus Gott, dem Vater,
[gezeugte] Logos selbst, der mit dem Fleisch geeint wurde und mit dem ‚Öl der
Freude‘ in menschlicher Weise von Gott, dem Vater, gesalbt worden ist.
Dass aber dem Gott-Logos die Salbung in Beziehung auf das Menschliche zuteil
geworden ist, als er wie wir geworden ist, soll uns 〈die〉 Heilige Schrift glaubhaft ma‐
chen. Als der Göttliches kündende Jakob nämlich vom Herd des Vaters fortzog,
drängte es ihn in das Land zwischen den Flüssen, und er ging zu Laban, dem Sohn des
Betuël.Als er aber an einem der dazwischenliegenden Orte angelangt war, schlug er
sein Lager auf. Indem er dann seinen Kopf auf einen Stein legt, empfängt er den Schlaf.
Und nachdem er eine Leiter geschaut hatte, die sich von der Erde aus hoch in den
Himmel erstreckte, und dass die Engel über sie hinauf- und herunterschreiten und der
Herr auf ihr lehnte, wunderte er sich sehr über die Erscheinung. Er nahm den Stein,
‚stellte ihn als Mal auf und goss Öl über sein äußeres Ende‘. Betrachte hierbei unseren
Herrn Jesus Christus, den einzigen und alleinigen wahrhaftigen Sohn, als Stein, der als
Mal aufgestellt wurde! Denn er ist ja auch ein ‚auserwählter Stein‘, ‚ein wertvoller
Eckstein‘, der als ‚Kopf der Ecke‘ und als ‚Fundament Zions‘ von Gott, dem Vater, ge‐
setzt worden ist. Betrachte mir aber zudem noch, auf welche Weise er gesalbt worden
ist. Der Göttliches kündende Jakob tränkte ja nicht den ganzen Stein vollständig mit
Öl. Er goss es vielmehr über sein äußeres Ende. Der Einziggeborene ist also, um es so
zu sagen, weder insgesamt noch, insofern er Logos ist, der eigenen Natur nach persön‐
lich gesalbt worden (wie sollte er denn als des eigenen Geistes teilhaftig geworden
verstanden werden?). Er wird vielmehr, wie ich sagte, am äußeren Ende gesalbt, also in
offensichtlicher Weise und gleichsam nur zum Teil und außen an dem ihm der wahren
Einung nach eigenen Körper. Und wie gesagt wird, dass er im Fleisch auf menschliche
Weise gelitten habe, obwohl er der Natur nach als Gott leidensunfähig ist, so nimmt
man ihn als im Hinblick auf das Menschliche gesalbt wahr, obwohl er jene, denen es
gebührt, an seiner Heiligkeit teilzuhaben, persönlich mit dem eigenen Geist salbt.
Wir jedoch verstehen uns jedenfalls darauf, so zu denken, und sind gewohnt, auf
unserem Marsch geradewegs den ungewundenen Königsweg zu beschreiten. Dieser
Mann weist aber, wenn er behauptet, dass diese Art von Namen Bezeichnungen für
beide Naturen seien, jeder einzelnen willkürlich zu, was ihm gefällt, und zeigt sich
beschämt angesichts der Mittelmäßigkeit, die sich aus den Begriffen ergibt, welche aus
dem mit dem Fleisch verbundenen Heilsplan resultieren, auch wenn er den seligen
Paulus sagen hört: „Gott entsandte seinen Sohn, entstanden aus einer Frau, dem Ge‐
setz unterworfen.“ ‚Fort damit‘, sagt er, ‚auf dass man nicht glaube, dass der aus Gott
entstandene Logos entsandt worden sei. Er ist nämlich nicht aus einer Frau ent‐
standen, nicht dem Gesetz unterworfen.‘
Weil das von uns [Angeführte] aber keine beliebige Täuschung ist, sondern wir
vielmehr auf seine eigenen Äußerungen zurückgegriffen haben, werde ich das Gesagte
noch einmal in den Mittelpunkt rücken: