(1) 1. Der Gott-‚Logos wurde Fleisch und nahm unter uns Quartier‘. Der Vater ließ
die angenommene Menschheit mit sich zusammen thronen. „Der Herr“, heißt es näm‐
lich, „sprach zu meinem Herrn: ‚Setze dich zu meiner Rechten.‘“ Der herabgekom‐
mene Geist unterstützte die Herrlichkeit des Angenommenen: „Wenn“, heißt es
nämlich, „der Geist der Wahrheit kommt, wird jener mich verherrlichen.“ Willst du bei
ebendiesen Dingen noch eine andere Wirkkraft der Trinität? Der Sohn wohnte in dem
Leib, der Vater sprach dem Getauften die Empfehlung aus, der Geist gab die Form in
einer Jungfrau.
2. Ferner sagt er auch noch über die heiligen Apostel: Der Sohn wählte aus („Ich“,
sagt er nämlich, „habe euch auserwählt“). Der Vater heiligte („Vater“, sagt er ja, „heili‐
ge sie in deiner Wahrheit“).Der Geist stattete Redner aus.
Dass die gesamte Argumentation von ihm unklug und unerfreulich gestaltet wor‐
den ist, kann man leicht zeigen. Er haut aber auch in diesem Punkt daneben, und auf
welche Weise [er dies tut], möchte ich erklären. Es gibt nämlich eine Natur der Gott‐
heit. Es hat aber der Vater für sich eine Existenz und freilich auch der Sohn, ebenso
aber auch der Geist. Alles wird allerdings vom Vater und durch den Sohn im Geist
vollbracht. Und wenn der Vater gleichsam zu einer Wirksamkeit, die sich auf gewisse
Dinge bezieht, bewegt worden ist, wirkt der Sohn in jedem Fall im Geist. Und auch
wenn gesagt wird, dass der Sohn oder der Geist etwas erfülle, kommt dies gänzlich aus
dem Vater, und die Wirkkraft und der Wille bei jedem beliebigen Akt durchziehen die
gesamte heilige und wesenseine Trinität, nur dass wir jene Formulierung dabei verwen‐
den. Achte aber wiederum darauf, dass er, obwohl er sagt, dass der aus Gott [gezeugte]
Logos Fleisch geworden ist, klar und eindeutig den Gehalt der Gedanken verfälscht
und ihn von der Richtigkeit weit entfernt, als ob er die Fleischwerdung zu einer ihm
zugehörigen Wirkkraft erklärte. Er fügt nämlich sogleich hinzu: ‚Willst du bei eben‐
diesen Dingen noch eine andere Wirkkraft der Trinität?‘,als ob er es schon als erste
Wirkkraft des Gott-Logos ausgewiesen hätte, Fleisch geworden zu sein den Schriften
nach. Und welche andere Wirkkraft nach der ersten beweisend, wie er meint, sagt er:
‚Der Sohn wohnte in dem Leib‘? Demnach ist Christus ein Gott in sich tragender
Mensch. Es zeigt sich also, dass der Logos Gottes, des Vaters, auch nur dies an einem
Menschen bewirkt, so dass, auch wenn vielleicht der selige Evangelist sagen mag: „Der
Logos wurde Fleisch und nahm unter uns Quartier“, er uns bloß nichts weiter offen‐
bart, als dass der Logos, der Gott ist, in einem Menschen Wohnung genommen hat
wie auch in uns selbst. Denn ‚wir sind Tempel des lebendigen Gottes‘und dadurch
erkennen wir, dass er in uns ist, weil er uns von seinem Geist gegeben hat.
Doch das wirst du vermutlich nicht behaupten, da du im Hinblick auf die Schmä‐
hung Zurückhaltung übst. Du wirst vielmehr zusammen mit uns bekennen, dass der
Logos Gottes Mensch geworden und dies die Fleischwerdung ist, und hinzusetzen,
dass er Gott geblieben ist und die Schönheit der eigenen Natur bewahrt hat, auch
wenn er Menschensohn heißt und dies wahrheitsgemäß geworden ist. Aus welcher Art
von Eingebung heraus sagst du also, dass der Vater die angenommene Menschheit mit
sich zusammen thronen ließ, und nicht vielmehr der aus ihm entstandene Logos, auch
wenn er Mensch geworden ist, auf dem Thron seiner eigenen Gottheit sitze im Wohl‐
gefallen Gottes, des Vaters, damit seine Menschheit nicht wie etwas anderes neben
ihm von uns wahrgenommen und definiert werde, wo doch die wahrheitsgemäße
Einung ihn als einen ausweist und sein Fleisch nicht als etwas ihm Fremdes? Er wird
also auch in diesem Punkt dabei ertappt, das Falsche zu sagen und die angemessene
Denkweise gehörig zu verfehlen. Und wenn es nichts anderes ist zu sagen, dass der
Logos Fleisch geworden ist oder dass er Mensch geworden ist, während er in der
Überlegenheit der Gottheit existiert und geblieben ist, was er war, welche Herrlichkeit
von außen hätte er [dann] nötig, wo er doch selbst Herr der Herrlichkeit ist?
Er wurde nämlich anerkanntermaßen verherrlicht, weil der Geist die göttlichen Zei‐
chen bewirkte, jedoch nicht in dem Sinn, dass ein Gott in sich tragender Mensch dies
aus einer fremden überlegenen Natur heraus erlangt hätte wie auch wir selbst, sondern
dass er vielmehr seinen eigenen Geist nutzte. Er war schließlich von Natur aus Gott,
und sein Geist war ihm nicht fremd. Daher sagen wir, dass ihm die Wirkkraft des
Geistes nicht von außen und auch nicht als adoptierte Eigenschaft gegeben worden ist,
wie es auch bei uns selbst oder eben den heiligen Aposteln vorkommt. Denen gab
Christus nämlich ‚die Vollmacht gegen unreine Geister, so dass sie sie austrieben‘, und
er wies sie an, ‚jede Krankheit und jede Schwäche im Volk zu heilen‘. Sein Geist
kommt also aus eigenen Mitteln und geht von ihm aus. Und der eindeutige Beweis
dafür ist wohl, dass er ihn anderen verleihen kann und ‚nicht aus dem Messgefäß‘, wie
der selige Evangelist sagt. Der Gott des Alls maß nämlich den Heiligen die durch den
Geist [wirkende] Gnade zu und dem einen gab er ein Wort der Weisheit, dem anderen
ein Wort der Erkenntnis, einem weiteren aber die Gabe der Heilung. Und das heißt,
glaube ich, dass diejenigen, die Wirkkraft besitzen, wie ‚aus einem Messgefäß‘ 〈geben〉
können. Unser Herr Jesus Christus aber, der den Geist aus seiner eigenen Fülle ent‐
sendet wie auch der Vater selbst, gibt ihn denen‚ die würdig sind zu nehmen, nicht wie
‚aus einem Messgefäß‘. Aus welchem Grund also, mein Bester, zählst du denjenigen,
der den Geist ‚nicht aus einem Messgefäß‘ gibt, zu jenen, die ihn in zugemessener
Form besitzen, indem du sagst, dass seine Herrlichkeit vom Geist unterstützt worden
sei und dass eher in ihm gewirkt worden sei wie in einem der Unsrigen, indem er die
von ihm [kommende] Unterstützung als Gnade empfange, als dass er vielmehr wie
durch seinen eigenen Geist die göttlichen Zeichen bewirke?
Die hemmungslosen Juden wetzten nämlich ihre scharfe Zunge gegen ihn und spra‐
chen in gottloser Weise: „Der da treibt keine Dämonen aus, außer durch Beelzebub,
den Fürsten der Dämonen.“ Unser Herr Jesus Christus aber wies nach, dass sie in
nicht unbeträchtlichem Maße schwer von Begriff, vielmehr sogar gottlos waren, und
sagte: „Wenn ich durch Beelzebub, den Fürsten der Dämonen, Dämonen austreibe,
durch wen treiben eure Söhne aus?“ Denn der strahlende und mächtige Chor der heili‐
gen Apostel ist bewundert worden, weil er ‚im Namen Jesu Christi, des Nazareners,‘
die Wundertaten vollbrachte. Und daher kehrten sie zurück, freuten sich und spra‐
chen: „Herr, die Dämonen ordnen sich uns in deinem Namen unter.“ Wenn es aber
wirklich zu erreichen ist, dass im Namen einer der Personen, in denen gewirkt wird,
auch andere die Fähigkeit haben, das Gleiche zu vollbringen, soll er herkommen. Er
soll sagen, aus welchem Grund niemand dafür bewundert wird, im Namen eines der
Heiligen unreinen Geistern zu gebieten oder etwas anderes, das über den Verstand
hinausgeht, zu vollbringen. Allerdings kommt es in den einen seitens des Geistes zu
einer Wirkung, und sie besitzen eine zugemessene Gnade. Er hingegen wirkt als Gott
und vollbringt die Dinge, deretwegen er bewundert wird, ohne Mühe durch seinen
eigenen Geist.
Und es näherte sich die Frau, die am Blutfluss krankte, seinerzeit unbemerkt von
hinten und (so steht es geschrieben), „berührte den Saum seines Gewandes, und au‐
genblicklich kam der Fluss ihres Blutes zum Stillstand.“ Das bemerkte natürlich auch
Christus und sagte: „Wer hat mich berührt?“Als darauf 〈aber〉 die Göttliches künden‐
den Jünger sprachen: „Meister, die Mengen umringen und bedrängen dich“, sprach er
selbst wiederum: „Jemand hat mich berührt. Ich habe nämlich gemerkt, wie Kraft von
mir ausging.“ Verstehst du nun, dass er die Fähigkeit, zu wirken und von Leiden zu
befreien, nicht als etwas von außen her Eingedrungenes, sondern als etwas aus dem
eigenen Besitz [Stammendes] und aus ihm [Kommendes] besitzt? An einer Stelle
schreibt aber der selige Evangelist Matthäus: „Und die gesamte Menge suchte, ihn zu
berühren. Denn es ging eine Kraft von ihm aus und heilte alle.“ Sein Geist ist also
seine Kraft, und Bürgschaft leistet der Göttliches kündende David, wenn er sagt: „Die
Himmel sind durch das Wort des Herrn gefestigt worden und durch den Hauch/Geist
seines Mundes all ihre Kraft.“ Mund Gottes, des Vaters, nennt er aber den aus ihm
[gezeugten] Logos, durch dessen Geist/Hauch das, was durch ihn zur Existenz
gelangt ist, Bestand erhält.
Ich habe ja bereits gesagt, dass er das Geheimnis der Frömmigkeit, welches sogar
von den heiligen Engeln bewundert worden ist, zu Nichts herabwürdigt und es, ohne
sich dabei um die Lehren, die zur Wahrheit führen, zu kümmern, klein macht, indem
er sagt: ‚Willst du bei ebendiesen Dingen noch eine andere Wirkkraft der Trinität? Der
Sohn wohnte in dem Leib, der Vater stand dem Getauften zur Seite, der Geist gab die
Form in einer Jungfrau.‘ Dass die Wahrheit aber in jeder Hinsicht dem von uns Ge‐
sagten folgen wird und wir keine bloße Verunglimpfung seiner Worte betrieben haben,
sondern vielmehr eine eindeutige und wahre Widerlegung, wird er selbst zeigen, wenn
er unter anderem folgendermaßen spricht: