CV7: Kyrills Rede über den rechten Glauben an Theodosius

Inhalt: Kyrill widmet Kaiser Theodosius II. eine ausführliche Darstellung des rechten Glaubens. Zu diesem Zweck beschreibt er zunächst in knappen Worten die wichtigsten Häresien, die im Reiche umgehen, um sie anschließend zu widerlegen. Während er die meisten dieser Lehren dabei relativ zügig abhandelt, verwendet er viel Zeit darauf, sich mit der zuletzt vorgestellten, einer dyophysiti­schen Lehre, wie sie Nestorius vertritt, auseinanderzusetzen, wobei er seine eigene Auffassung, die er dieser gegenüberstellt, immer wieder vor Fehlinterpretationen zu schützen versucht.

Edition: Collectio Vaticana 7, ACO I,1,1 S. 42–72; ältere Edd.: Labbé/Cossart (1671–1672), Bd. 3 Sp. 45–105; Coleti (1728–1734), Bd. 3 Sp. 613–672; Mansi, Bd. 4 Sp. 617–680; PG 76, Sp. 1133–1200; Pusey (1965 [= 1868–1877]), Bd. 7 S. 1–152

Verzeichnisnummern: CPG 5218

Verfasser: Kyrill von Alexandria

Datierung: 430

Lat. Übersetzungen:  –

Literatur: van Loon (2009), S. 419–433

(4) Ich glaube jedoch, dass besonders den frommen Ohren von Kaisern nichts
Gotteslästerliches zugetragen werden darf,
sondern vielmehr jenes, was sich jenseits
jeglichen Tadels und Vorwurfs bewegt und dem ihm [sc. Gott] zukommenden Lob­
preis Rechnung trägt. Und obwohl ich weiß, dass es darum bestens bestellt ist, fühle
ich mich notgedrungen bemüßigt, die Überlieferung des rechten und apostolischen
Glaubens in diesem Buch aufzuschreiben und Eurer Herrschaft als gleichsam geistiges
Gastgeschenk
zu überreichen und ebenso den wahrhaft gottgefälligsten Kaiserinnen,
die zusammen mit Eurer Friedfertigkeit strahlen:
Die eine jubelt über die von euch
innigst erflehten Nachkommen und trägt dem Zepter die Hoffnung auf immerwäh­
renden Fortbestand zu,
die andere steht zusammen mit den jungfräulichen Sprossen in
Blüte und eignet sich die Sorge um euer überaus ruhmreiches Reich an.

Indische Steine lassen natürlich eure ruhmreichen Häupter erstrahlen, der sinnlich
nicht erfassbare Schmuck von Seele und Geist möge aber ein rechter und unverfälsch­
ter Glaube sein. Und in Zuversicht, dass ihr diesen bewahrt, schließe ich diese Rede als
Stütze des Geistes, als Zierde der Seele und Krone des Herzens an. Es steht ja ge­
schrieben: „Weisheit ist wichtiger als wertvolle Steine, alles, was teuer ist, ist ihrer
nicht wert.“
Daher werde ich versuchen, in wenigen Worten das Thema der Mensch­
werdung des Einziggeborenen zu erörtern und auseinanderzusetzen, was das Ge­
heimnis ist, das ihn umgibt – natürlich nur nach Maßgabe dessen, was denen möglich
ist,
die auf einen ‚Spiegel‘ oder ein ‚Rätsel‘ blicken und aus dem Teilstück heraus er­
kennen
‚gemäß dem Ausmaß der Gabe‘,‚die der Geist gewährt‘, wie auch der Gött­
liches kündende Paulus schreibt.
Denn ‚keiner sagt zu Jesus ‚Herr‘, außer unter dem
Einfluss des Heiligen Geistes‘, und keiner nennt Jesus verflucht, außer unter dem
Einfluss Beelzebubs.

4 | 1–2 Ich … darf]

Kyrill bringt hier anscheinend implizit seine Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass der Kaiser von den Lehren des Nestorius, der ja als Bi­schof von Konstantinopel in dessen unmittelbarer Nähe weilte, in seinen christologischen Auf­fas­sun­gen beeinflusst werden könnte.

4 | 6–7 geistiges Gastgeschenk]

Vgl. CV149,1,28 – 37 (Dok. 41; ACO I,1,5 S. 26,23–30), wo Kyrill den hier verwendeten Begriff, ohne ihn dabei allerdings explizit zu verwenden, gewissermaßen in einem kleinen Beispiel umschreibt.

4 | 7–8 und … strahlen]

An Adressatinnen, die er als ‚Kaiserinnen‘ anspricht, schrieb Kyrill auch zwei separate Abhandlungen, nämlich Ad dominas und Ad augustas. Wem diese genau gegolten haben, ist abseits traditioneller Konventionen eher unklar (vgl. Anm. zu CV149,1,1 – 2 [Dok. 41] und CV150,1,3 [Dok. 40]). In jedem Fall zeigte sich aber der Kaiser über diese Vorgehensweise Kyrills verärgert, da er argwöhnte, der Alexandriner wolle Zwietracht innerhalb der kaiserlichen Familie säen (vgl. CV8,3,6 – 10 mit Anm. [Dok. 43]).

4 | 8–10 Die … zu]

Gemeint ist die Ehefrau Aelia Eudokia.

4 | 10–11 die … an]

Gemeint ist die ältere Schwester Aelia Pulcheria.

4 | 12 Indische Steine]

Das Bild der ‚indischen Steine‘ verwendet Kyrill ebenso wie das folgende Proverbienzitat auch in der Praefatio zu Contra Nestorium (vgl. CV166,I,Praef.,10 – 14., ACO 1,1,6 S. 13,12–14 [Dok. 25]).

4 | 16–17 Weisheit … wert]

Spr 8,11.

4 | 17–22 Daher … schreibt]

Von dieser Stelle an zeigt die Rede deutliche inhaltliche und wörtliche Parallelen zu Kyrills Abhandlung De incarnatione unigeniti. Die hier teils einfach monologische, teils aber auch durch einen fiktiven Interlokutor oder direkte Ansprache an den Adressaten dialogisch gestaltete Rede, erscheint dort als echter Dialog. Welches der Werke dem anderen vorangeht, ist in der For­schung umstritten: während z.B. Schwartz (ACO I,1,1 S. 42,8f.) und Pusey (1965 [= 1868–1877], Bd. 7 S. VIII) davon ausgehen, dass De recta fide das ursprüngliche Werk sei, plädieren u.a. de Durand (1964, S. 52–57) und van Loon (2009, S. 419–425) für die Priorität von De incarnatione. Zumindest de Durand geht dabei davon aus (van Loon hält es immerhin für möglich), dass De incarnatione sogar noch vor dem nestorianschen Streit verfasst worden ist und es sich hierbei um jene Schrift handele, die Kyrill am Ende seines ersten Briefes an Nestorius erwähnt (vgl. ACO I,1,1 S. 24,19–25). Während eine Analyse der Unterschiede zwischen den beiden Werken tatsächlich die Vermutung nahelegt, dass De recta fide eine im Detail präzisierende, gegen mögliche Einwände bes­ser abgesicherte Revision von De incarnatione darstellt, bleibt bei einer angenommenen Ab­fas­sungs­zeit vor 425 (Tod des Attikos von Konstantinopel) auf jeden Fall die Frage, wer eigentlich die pro­to­nestorianischen Gegner sind, die hier so überproportional umfangreich widerlegt werden. Auf­fal­lend bleibt aber auf jeden Fall, dass sich in De recta fide im Vergleich zu z.B. dem Brief an die ägyptischen Mönche (CV1 [Dok. 5]) und der Schrift Ad augustas kaum Bezüge auf konkrete und durch erhaltene Fragmente belegte Elemente der nestorianischen Christologie finden.

4 | 20–21 die … er­kennen]

Vgl. 1 Kor 13,12, wo es allerdings ‚durch einen Spiegel auf ein Rätsel‘ heißt.

4 | 21 gemäß … Gabe]

Vgl. Eph 4,7.

4 | 21 die … gewährt]

Vgl. Phil 1,19.

4 | 22–24 Denn... Beel­ze­bubs]

Vgl. 1 Kor 12,3. Der zweite Teilsatz, mit dem das Zitat im Korintherbrief beginnt, lautet bei Paulus: „[...] ὅτι οὐδεὶς ἐν πνεύματι θεοῦ λαλῶν λέγει, ἀνάθεμα Ἰησοῦς“ ([...] dass keiner, der im Geist Gottes spricht, Jesus verflucht nennt). Die Wendung εἰ μὴ ἐν Βεελζεβούλ kommt hingegen nur bei Kyrill vor und ist wohl von Mt 12,24 beeinflusst. Das ‚Zitat‘ ist in De incarnatione dem B-Sprecher zugeordnet.

Die Akten des Konzils von Ephesus 431. Übersetzung, Einleitung, Kommentar

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