CPal32: Predigt des Nestorius gegen die Pelagianer (sermo 28 [Auszüge])

Ebenso eine in der Kirche öffentlich gehaltene Predigt desselben über Adam, deren Anfang
folgendermaßen [lautet]:

Die Sonne, die sich hoch über der Erde befindet und aus dem Osten ihre Bahn zu
uns zieht, verwandelt die Nacht in den Tag, vertreibt den Schlaf und übergibt uns
[unserem] Tagewerk; das Licht der Gotteserkenntnis reißt [unseren] Geist aus dem
Schlaf der Untätigkeit, erleuchtet die Gedanken und regt sie zu Krafttaten an. Es wird
immer wünschenswert sein, dass uns dieses Licht zu leuchten beginnt. Wenn nämlich
jemand diese sichtbare Sonne nicht sieht, lebt er [trotzdem] (denn auch ein Blinder,
der nur vom Hören her Kenntnis von der Sonne hat, lebt), wenn aber die Seelen nicht
von Gott wissen, sind sie gänzlich ohne Sonne gestorben, es sei denn jemand
argwöhnt, dass die leben, über die der Herr selbst sagt:
„Lasst die Toten ihre Toten
begraben.“
 

Ebenso [heißt es] dort weiter unten: Aber jener, der mit dem Urheber der Sterblichkeit
gerungen hat, hat das Leben von beiden [Arten] der Sterblichkeit losgekauft. Denn
eine zweifache Sterblichkeit wütete gegen uns, die eine, die der aus der sterblichen
Sünde heraus entstandenen Natur erwächst, [und] eine andere, die [dem Menschen]
durch die Verachtung der Erkenntnis zuteil wird. Denn nicht von Gott zu wissen,
führt zu einer ähnlichen Empfindungslosigkeit, wie sie sich aus dem Tod ergibt. Zum
Urheber beider Tode wurde also der Teufel. Indem Christus diesen zerschmetterte,
hat er unser Leben von beiden Tode[sarte]n befreit, wobei er nämlich die Seele mit
lebendig machenden Geboten aufrichtete, durch die Auferstehung aber das, was
sterblich ist, kräftigte und wiederherstellte. Denn wenn der Anstifter dahingesunken
ist, wird emporgehoben, was von ihm bedrängt wurde.

Ebenso [heißt es] dort weiter unten: Uns ist das Bild des Ringens um dieses Leben
hinterlassen worden.
Denke an die Wüste: Dort hat die göttliche Natur den Men­schen
erhoben, indem sie den Tyrannen in der Wüste durch das Bild des Tyrannenmörders in
Schrecken versetzte.

Ebenso [heißt es] dort weiter unten: Er hat jedenfalls den Menschen ihren Lebens­
unterhalt durch Nahrung und dem Körper Stabilität durch Speisen gegeben. Die
göttliche Schrift aber hat mich gelehrt, dass Gott die Grenzen der Natur überwindet.
Gedenke nämlich der göttlichen Stimme, die ausruft, dass die Menschen sich nicht
vor
Hunger und Durst
entsetzen, sondern auch dort Folgendes antworten sollen: Gott
kann auch, 〈ohne〉 Brot darzureichen, Hilfe bringen.
Denn weil Gott auch ohne Nah­
rung Lebendigmacher ist, wird das Fleisch auch ohne Speise leben, wenn Gott be­
fiehlt, dass es lebe. So, wird er sagen, ist es geschrieben und so glaube ich, und indem
ich auf die göttlichen Worte vertraue, erwarte ich kein Leben, das [mir] allein durch
Nahrung zuteil wird.

Ebenso [heißt es] dort weiter unten: Wodurch Adam verletzt hat, eben dadurch stellt
Christus wieder her. Da er ja aus Unglauben und der [verbotenen] Speise wegen
zugrundegegangen ist, indem er Gott keinen Glauben schenkte, und stürzte, weil er
gegessen hatte, begann Christus, als er erschien, vom Glauben und von der Enthalt­
samkeit her die Natur, da wo sie niedergesunken war, zu erneuern.
 

116 Predigt]

Zusätzlich zu den im Folgenden von Marius Mercator zusammengestellten Aus­zügen liegt unter dem Namen des Johannes Chrysostomos auch eine umfangreichere griechische Fassung vor, welche diese und Teile der folgenden Predigt (sermo 29, ACO I,5 S. 63f. [Dok. 15]) sowie über beide Predigten hinausgehende Abschnitte umfasst, während Mercator einen zuweilen von der grie­chischen Fassung abweichenden Text bietet, s. de Montfaucon (1732), S. 733–738. Zum Aufbau von griechischer und lateinischer Fassung sowie zu ihrer Abhängigkeit voneinander bzw. einer mögli­cherweise existierenden Exzerptsammlung als gemeinsamer Vorlage s. Loofs, Nestoriana S. 146–150 u. Konoppa (2005), S. 323–325 u. 328.

3–12 Die … begraben]

Der Abschnitt richtet sich gegen den Unglauben Adams, der sich im Ungehorsam gegen das Gebot Gottes geäußert hat. Zur griech. Fassung s. Loofs, Nestoriana S. 342,4–13.

11–12 Lasst … begraben]

Mt 8,22.

13–23 Aber … wurde]

Der eine Tod liegt in der Sünde Adams und Evas, entgegen dem Verbot Gottes Früchte vom Baum der Erkenntnis gegessen zu haben, der andere in der damit verbundenen Gottlosigkeit, die sich in der Nichtbeachtung des göttlichen Verbots äußert. Zur griech. Fassung s. Loofs, Nestoriana S. 342,14–343,2.

24–27 Uns … versetzte]

Zur griech. Fassung s. Loofs, Nestoriana S. 343,3–6.

25–27 Denke … versetzte]

Vgl. bes. Mt 4,1–11 u. Lk 4,1–13.

28–37 Er … wird]

Zur griech. Fassung s. Loofs, Nestoriana S. 343,14–344,5.

31–32 vor … Durst]

Möglicherweise handelt es sich bei der Wahl des Wortes deserta einfach um den Einsatz des Stilmittels der Metonymie in Form der Vertauschung von Ursache und Wirkung (Wüste statt Durst). Doch könnte das Nebeneinander von famem und deserta auch eine Anspielung auf Ex 16,3 sein.

32–33 Gott … bringen]

Der griechische Text lautet an dieser Stelle: κηδέσθω θεός· κἂν μή, παρέστωσαν ἄρτοι (Loofs, Nestoriana S. 344,1).

38–42 Wodurch … erneuern]

Zur Aufhebung der Sünde Adams durch Jesus als neuem Adam vgl. bes. Röm 5,12–21 u. 1 Kor 15,45–49. Zur griech. Fassung s. Loofs, Nestoriana S. 344,6–1

Die Akten des Konzils von Ephesus 431. Übersetzung, Einleitung, Kommentar

Impressum

Förderung und Partner

  • Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
  • Universität Bonn
  • Universität Bern
Logo DFG
Logo Universität Bonn
Logo Universität Bern