Ich, Kyrill, grüße meinen geliebten Bruder und Mitdiener Akakios im Herrn.
Jene, die tief betrübt sind und ein durch Kummer verletztes Herz haben, ziehen
keinen geringen Trost daraus, wenn sie gleich gesinnten Menschen mitteilen, wodurch
sie betrübt worden sind. Zu einem solchen Menschen bin auch ich geworden. Deshalb
war ich der Meinung, Deiner Vollkommenheit die Gründe darlegen zu müssen, deret‐
wegen ich zu Recht, wie ich glaube, betrübt worden bin, vielmehr immer noch betrübt
werde. Es genügte nämlich dem überaus frommen Bischof Nestorius nicht, in einer
Kirche das auszusprechen, was in einer Kirche Anstoß erregt und den Glauben ge‐
schwächt hat, der sich auf unser aller Retter Christus richtet, sondern er ließ ja sogar
zu, dass ein gewisser Dorotheos, ein Bischof, es wagte, in einer Kirche und vor einer
Versammlung öffentlich zu sagen: ‚Wenn jemand Maria Gottesgebärerin nennt, sei er
verdammt.‘ Was sollen wir also tun in einer Kirche von Rechtgläubigen, wenn wir
zusammen mit den heiligen Vätern verdammt werden? Ich stoße nämlich in Schriften
darauf, dass auch der Bischof klingenden Angedenkens Athanasius sie oft Gottesgebä‐
rerin genannt hat und unser seliger Vater Theophilos und viele andere unter den
Heiligen, die zu ihrer Zeit Bischöfe waren; da ist Basilius,da ist Gregorund selbst der
selige Attikos. Ich glaube sogar, dass niemand unter den Rechtgläubigen fürchtet, sie
Gottesgebärerin zu nennen, wenn es denn wahr ist, dass der Immanuel Gott ist.
Es sind also heilige Väter, die bei Gott sind, verdammt worden und alle, die, indem
sie den rechten Lehren der Wahrheit folgen, Christus als Gott bekennen. Und nicht
nur bis hierhin reicht der Schaden, der aus der Sache hervorgeht, sondern auch die
Ansichten der Laien sind verdreht worden. Ich habe nämlich gejammert, als ich hörte,
dass die einen bereits soweit in den Unglauben oder die Torheit abgefallen sind, dass
sie Christus nicht als Gott bekennen, die anderen, auch wenn sie sich entschlossen
haben, ihn grundsätzlich als Gott zu bekennen, nichts Gesundes über ihn zu denken
scheinen, sondern sagen, dass er aufgrund von Wohlgefallen und Gnade zusammen
mit uns in diesen Zustand berufen wurde. Diese Dinge berechtigen zu Jammer und
Klage. Denn worin besteht überhaupt die Not, etwas, das derart subtil und ver‐
schleiert ist, ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen? Warum helfen wir den Laien
nicht vielmehr mit ethischen Exegesen, wenn unser Vermögen zu dogmatischer Ge‐
nauigkeit gar nicht ausreichend ist?
Weil wir aber den Mönchen, die in Ägypten und Alexandria durch die so gearteten
Vorträge oder eben Exegesen beunruhigt worden sind, den rechten Satz des Glaubens
ausgebreitet haben, hat er [sc. Nestorius] sich zum Gegner entwickelt, ist feindselig
geworden, schart einige Bettler und Hoffnungslose zusammen und stiftet irgendje‐
manden dazu an, vor vielen Leuten Lügen gegen mich zu verbreiten, und das vermut‐
lich aus gutem Grund. Denn wenn wir den Eifer Gottes auf unserer Seite hätten und
zu Nachahmern der Gottesliebe der Väter geworden wären, hätten wir gegen jene, die
es wagten, gegen Christus daherzureden, und die uns, die wir leben, und die heiligen
Väter, die schon bei Gott weilen, verdammt haben, ein heiliges Urteil davongetragen,
durch welches vermutlich sogar jene unter den Laien, die im Glauben Schaden genom‐
men haben, geheilt worden wären.
Grüße mir die Bruderschaft bei dir. Dich grüßt die meinige im Herrn.