CV21: Kyrills Brief an seine Kritiker

Inhalt: Kyrill rechtfertigt gegenüber seinen Kritikern sein entschiedenes Vorgehen gegen Nestorius, indem er darauf verweist, dass eine Verdammung der θεοτόκος-Lehre einer Verdammung aller rechtgläubigen Christen gleichzusetzen sei.

Edition: Collectio Vaticana 21, ACO I,1,1 S. 109,5–28; ältere Edd.: Labbé/Cossart (1671–1672), Bd. 3 Sp. 327–330; Coleti (1728–1734), Bd. 3 Sp. 877–880; Mansi, Bd. 4 Sp. 1000; PG 77, Sp. 60f.

Verzeichnisnummern: CPG 5307

Verfasser: Kyrill von Alexandria

Datierung: 429

Lat. Übersetzungen: Collectio Casinensis 4, ACO I,3 S. 17f.

Literatur: Price/Graumann (2020), S. 112

[Brief] desselben an jene, die schriftlich Vorwürfe gegen ihn erhoben haben, weil er nicht
geschwiegen hat, als er aufgrund einer Nachricht erfuhr, dass die gottlose Lehre des Nestorius zu
Schlimmerem übergeht:

Nachdem mir Eure Frömmigkeit in der Annahme geschrieben hat, dass der über­
aus gottesfürchtige Nestorius betrübt sei, weil ich den Brief an die Mönche verfasst
habe, da ich jene, die an dem Gerede Anstoß genommen haben, zurückführen wollte,
 
sage ich notwendigerweise Folgendes: Von unserer Seite aus ist nicht so viel geschehen
wie von der Seiner Gottesfurcht.
Ich habe nämlich den Menschen, die aufgrund seiner
Ausführungen Anstoß genommen haben, den Lehrsatz des rechten Glaubens dar­
gelegt. Er aber hat es zugelassen, dass der schöne Dorotheos, der Bischof, in einer
katholischen und rechtgläubigen Kirche öffentlich gesagt hat: ‚Jemand sei verdammt,
wenn er behauptet, dass Maria Gottesgebärerin sei.‘
Und er hat, als er davon hörte,
nicht nur geschwiegen, während jener sprach, sondern er nahm ihn sogar umgehend in
die mystische Gemeinschaft auf und machte ihn zum Genossen.

Seht her: Wir wurden also von ihm verdammt, so dass wir von seiner Seite aus zu­
nächst einmal nicht sagen können: Jener hat ja wohl vor der Gemeinde solche Dinge
nicht entgegen seiner [sc. des Nestorius] Meinung ausgesprochen. Daher sind sowohl
wir, die lebenden Bischöfe auf der ganzen Welt, als auch unsere Väter, die bei Gott
weilen, verdammt worden.
Was gab es also für einen Hinderungsgrund, dass auch wir
eine Anklage verfassen, die den Äußerungen jenes Mannes entgegengestellt ist, und
sagen: ‚Jemand sei verdammt, wenn er nicht erklärt, dass Maria Gottesgebärerin ist?‘ 
Doch ich habe dies mit Rücksicht auf ihn einstweilen nicht getan, damit man nicht
sagen kann, dass der Bischof von Alexandria oder eben die ägyptische Synode ihn ver­
dammt hätten.
Wenn aber die überaus gottesfürchtigen Bischöfe im Osten und im
Westen erfahren, dass alle verdammt worden sind (alle nämlich sagen und bekennen,
dass die heilige Maria Gottesgebärerin ist), wie sollen sie [da] nun gestimmt sein?
Oder wie sollen nicht alle betrübt sein, wenn auch nicht ihrer selbst wegen, sondern
der heiligen Väter wegen, in deren Schriften wir finden, dass die heilige Jungfrau Maria
immer Gottesgebärerin genannt worden ist?
Wenn das Vorhaben nicht aufdringlich zu
sein schiene, würde ich viele Bücher zahlreicher heiliger Väter schicken, in denen der
Ausdruck, mit dem sie bekennen, dass die heilige Jungfrau Maria Gottesgebärerin ist,
nicht nur einmal, sondern durchaus häufig belegt zu finden ist.

4 Eure Frömmigkeit]

Die Anrede ἡ εὐλάβεια ὑμῶν bzw. ἡ σὴ εὐλάβεια gilt in der Regel einem Kleriker.

5–6 weil … wollte]

Vgl. CV1,3,1 – 21, ACO I,1,1 S. 11,11–26 (Dok. 5), wo Kyrill den Anlass seines Briefes skizziert. Die Reaktionen, die dieses Schreiben in Konstantinopel hervorgerufen hat, werden ebenso im ersten Brief an Nestorius (CV2,1,3 – 8, ACO I,1,1 S. 23,26–24,3 [Dok. 18]) und in dem Schreiben an die Apokrisiare (CV22,1,1 – CV22,2,18., ACO I,1,1 S. 110,4-32 [Dok. 8]) thematisiert.

7–8 Von … Gottesfurcht]

In ähnlicher Weise argumentiert Kyrill auch in seinem ersten Brief an Nestorius (vgl. CV2,2,2 – 4, ACO I,1,1 S. 24,4–6 [Dok. 18]).

10–12 Er … sei]

Zu diesem Vorfall vgl. CV16,7 – 12, ACO I,1,1 S. 98,9–13 (Dok. 11) u. CV144,3,1 – 6, ACO I,1,5 S. 11,6–10 (Dok. 27; s. auch CV144,6,13 – 17, S. 12,16–19).

17–19 Daher … worden]

Vgl. CV16,19 – 20, ACO I,1,1 S. 98,19f. (Dok. 11).

21 Jemand … ist]

So verfährt Kyrill dann aber später im ersten Anathematismus seines dritten Briefes an Nestorius (vgl. CV6,12,6 – 8, ACO I,1,1 S. 40,22–24 [Dok. 36]).

22–24 Doch … hätten]

Vergleichbare Bedenken bringt Kyrill auch in dem Brief an seine Apokrisiare in Konstantinopel zum Ausdruck, welche anscheinend schon eine schriftliche Klage gegen Nestorius aufgesetzt hatten (vgl. CV22,8,1 – 11, ACO I,1,1 S. 112,6–9 [Dok. 8]).

27–32 sondern … ist]

Vgl. den Brief an Akakios von Beroia (CV16,13 – 17, ACO I,1,1 S. 98,14–17 [Dok. 11]), in welchem Kyrill eine Reihe von Namen nennt, ohne die betreffenden Autoren dann allerdings zu zitieren.

29–32 Wenn … ist]

In seinem Brief an die ägyptischen Mönche hatte Kyrill lediglich aus dem dritten Buch Contra Arianos des Athanasius zitiert, um die Tradition des θεοτόκος-Titels zu begründen (vgl. CV1,4,16 – 24, ACO I,1,1 S. 12,5–11 [Dok. 5]). Eine größere Sammlung an Belegen bietet er dann auf jeden Fall später in seiner Rede Ad dominas, wo er neun Autoren in Exzerpten anführt (vgl. CV150,9,1 – CV150,18,17, ACO I,1,5 S. 65,25–68,27 [Dok. 40]). Vgl. hierzu auch Price/Graumann (2020), S. 108 Anm. 5

Die Akten des Konzils von Ephesus 431. Übersetzung, Einleitung, Kommentar

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