(16) Da wir aufs Beste darin geübt sind, mit Freuden hinter der Wahrheit her zu
jagen, werden wir gewiss auch jene nicht loben, die sagen, das mit dem Logos geeinte
Fleisch entbehre der vernunftbegabten Seele. Denn sie bringen den Logos in die Welt,
indem sie ihn mit bloßem Fleisch, welches eine lebendige und wahrnehmungsfähige
Regung besitzt, umkleiden, und weisen die Wirkkraft des Verstandes und der Seele
dabei dem Einziggeborenen zu. Sie schaudern nämlich aus unerfindlichen Gründen
davor zurück zu bekennen, dass der Logos der Natur nach mit menschlichem Fleisch,
welches mit einer vernunftbegabten Seele beseelt ist, geeint ist, wobei sie nicht den
geringsten Wert auf die Überlieferung des ursprünglichen und uralten Glaubens legen
und sich stattdessen törichterweise entschieden haben, allein ihrem eigenen Willen
und menschlichen Erwägungen folgen zu müssen, und wahrhaftig an dem, was zu
denken ist, vorbeidenken.
Und worin ist nun für sie diese Lehre begründet? Ich werde es erklären: Wir sind
der Meinung, dass der ‚Mittler zwischen Gott und den Menschen‘ den Schriften nach
aus der uns entsprechenden, sich ihrem eigenen Maßstab nach im Zustand der Voll‐
kommenheit befindlichen Menschheit und aus dem aus Gott hervortretenden natür‐
lichen Sohn, das heißt dem Einziggeborenen, besteht. Wir sind uns aber sicher, dass
eine Art Zusammenkunft und ein über die Vernunft hinausgehender Zusammen‐
schluss eingetreten sind, die zu einer Einung der ungleichen und unähnlichen Naturen
führen. Einen Christus und Herrn und Sohn erkennen wir also dennoch [nur] an, der
in einem Moment sowohl als Gott als auch zugleich als Mensch existiert und aufge‐
fasst wird. Als ganz und gar unzerreißbar betrachten wir aber diese Einung gewohn‐
heitsgemäß, weil wir glauben, dass der Einziggeborene und der Erstgeborene ein und
derselbe sind: einziggeboren, da er als der aus Gott, dem Vater, [gezeugte] Logos auch
aus dessen Wesen hervorgetreten ist, erstgeboren, insofern er Mensch geworden ist
und ‚unter viele Brüder‘ kam. Denn wie ‚Gott, der Vater, einer ist, aus dem alles ist‘, so
ist ‚der Herr Jesus Christus, durch den alles ist, einer‘. Wir erkennen nämlich den
Logos, durch den alles ist, als von Natur aus seienden Gott an, auch wenn er Fleisch,
das heißt Mensch geworden ist.