Nachdem ich von vielen, sagt er, und 〈sehr〉 häufigen Angstschauern überschwemmt
wurde und dies bei mir selbst bedachte, atme ich angesichts eurer liebenswürdigen
Aufmerksamkeit auf. Denn da die bange Unruhe gewichen ist, nehme ich jene Wonne,
die mir durch euch zuteil wird, entgegen, mit der ich sehe, dass euch, die ihr euch in
Bezug auf die göttlichen Dinge anstrengt, eine solche Freude erfasst, die nicht im
Kreislauf so vieler Festlichkeiten abstumpft, deren aller Ursprung die Ankunft der
Güte des Herrn ist.
Vor dieser [Ankunft] befand sich das ganze menschliche Geschlecht in Betrübnis
und im Klage[zustand], als [Gott] in seinem Verdammungsurteil gegen den Ursprung
[des Menschengeschlechts] ausrief: „Indem ich sie vervielfache, werde ich deine Trüb‐
sal und deine Klagen vervielfachen.“ Deshalb ist jene [Kunde] von der Ankunft des
Herrn der erste Bote der Freude über so große Glücksgüter: „Sei gegrüßt, Gnaden‐
reiche“ – dieses Wort wurde an die Jungfrau gerichtet –, „der Herr [ist] mit dir.“„Des‐
halb wird das Heilige, das aus dir geboren wird, ‚Sohn Gottes‘ genannt werden.“ ‚Mit
dir‘, heißt es, und ‚aus dir‘. ‚Mit dir‘ offensichtlich der Ankunft der Gottheit wegen,
‚aus dir‘ aber wegen der aus jener empfangenen Gestalt der Menschheit.
Wenn du also hörst, oh Heide, dass das Kind ‚in einer Krippe lag [und] in Windeln
gewickelt war‘,nimm keinen Anstoß an dem Fleisch, das zu sehen ist, sondern be‐
denke, dass die Mutter, die jenes Kind geboren hat, [auch seine] Würde hinsichtlich
der Gottheit hervorgebracht hat, dass sie den menschlich in ihr Geformten wahrhaftig
{auch} göttlich geformt hat, dass er nach dem Fleisch in Windeln gewickelt wurde, der
Vorsehung gemäß aber die volle Gottheit in sich trug, [und] dass er der Natur des
Körpers wegen gestillt wurde, gemäß [seiner] Göttlichkeit aber allen, die geboren wer‐
den, sehr reichlich Milch als Nahrung spendet. Vielleicht rief Gabriel deshalb der
Jungfrau in Bezug auf eine solche Gabe zu: „Sei gegrüßt, von der Gnade Gottes Er‐
füllte.“ Denn bald wurde der Herr aller, Christus, für dieses Leben geboren, er löschte
[diesen] Satz aller Betrübten aus, indem er die verfluchten Gebärvorgänge der Natur
veränderte, er sprach jene einst verurteilte körperliche Geburt frei [und] er zerstörte
auch das Gebot jenes Urteilsspruchs, das zugleich mit der Natur geboren wird, das
heißt: „Indem ich sie vervielfache, werde ich deine Trübsal und deine Klagen verviel‐
fachen. Unter Qualen wirst du Söhne gebären.“
Aber jener Ausspruch [S. 61]: „Du wirst Söhne gebären“, war jedenfalls die Seg‐
nung der Fruchtbarkeit. Denn die Gebärende verkörpert die Fürsorge für den Nach‐
wuchs („Vermehrt und vervielfacht euch und füllt die Erde“). Mit: „Unter Qualen
wirst du Söhne gebären“, aber offenbart sich die Frucht der Sünde. Denn so wie es ein
lebenspendendes [und] dem [menschlichen] Geschlecht vom Schöpfer gegebenes Ge‐
schenk ist, essen zu können (vor der Sünde nämlich sagte das Gebot Gottes in Bezug
auf die Nahrung zum ersten Menschen: „Von jedem Baum, der im Paradies ist, darfst
du dir Nahrung zur Speise nehmen“), so hat: „Unter Qualen sollst du essen“, des Flu‐
ches wegen Einzug gehalten. Denn Gott hat nicht zu Adam gesagt: ‚Weil du auf das
Wort deiner Frau gehört hast und weil du gegessen hast, deshalb verdamme ich dich‘,
sondern: „Weil du von dem Baum gegessen hast, 〈von〉 dem allein ich dir befohlen hatte,
nicht zu essen, deshalb sollst du dein Brot im Schweiß essen.“Jenes erste Freisein des
ersten Menschen vom Schmerz nämlich war ein auch von den Mühen des Ackerbaus
völlig unabhängiger Genuss.
So sagte Gott auch nach der Sünde zu Eva in Bezug auf die Zeugung der Söhne
nicht uneingeschränkt: ‚Du wirst Söhne gebären‘, sondern: „Unter Qualen wirst du
Söhne gebären.“ Denn die Ehe ist ein Geschenk der göttlichen Güte, [ebenso] die
Fruchtbarkeit der Natur, eine Vorrichtung, die Widerstand leistet gegen den alles ver‐
schlingenden Tod, die Zügel der Keuschheit gegen die Begierde [und] die Macht einer
schuldlosen Lust. Die vielfachen Klagen der Frauen beim Gebären aber sind die Strafe
für die Sünde. Zwar ist es kein Fluch zu gebären (denn ein Segen könnte sich nicht zu
einem Fluch verkehren), in Betrübnis zu gebären aber, diese Last leitet sich aus jenem
Fluch nach der Sünde ab. Denn dass die durch die Schmerzen der Geburt gequälte
Natur gebiert, dass sie in Ängsten vergeht, die Furcht vor einer harten Geburt aushält,
bisweilen eine [noch] unreife Leibesfrucht auswirft, dass die Schwangeren wiederholt
die für die Geburt vorgesehene Zeit überschreiten und die Last des Mutterleibs [noch]
länger [mit sich] herumtragen, oft durch die eigenen Kinder dahinschwinden, zuwei‐
len auch nach dem Gebären beunruhigt sind, dass vielleicht das, was geboren wurde,
sich aus irgendeinem Mangel heraus nicht an der Nahrung der Milch laben könne, sich
sorgen, dass es vielleicht den Wunsch nach etwas Widrigem zulasse, dass es irgendeine
fruchtlose Lehre begehre, dass es durch den Angriff von Dämonen gepeinigt werde,
dass es von einer Krankheit von der Art gequält werde, die eine Genesung [nur] schwer
zulässt, [und] dass es dereinst von dem bitteren Joch irgendeiner [Form von] Armut
ergriffen wird – ein Lehrer all dieser traurigen [Umstände] der Natur ist die kurze Bot‐
schaft: „In Betrübnis wirst du Söhne gebären.“ Beklagenswert ist dieses Unglück. Was
nämlich verheißen und wünschenswert war, ist seither zu fliehen. [Diejenigen], die das
Verlangen haben, Söhne zu zeugen, werden verheiratet, und sie gebären diese unter
Qualen. Sie wünschen sich Kinder und schimpfen gegen das Durchlaufen der Monate,
in denen diese erwartet werden. Sie wünschen [und] freuen sich, Mütter zu werden,
und durch die Bestattung derer, die geboren wurden, [dazu] getrieben, klagen sie, dass
jener Tag ihrer Niederkunft der Grund ihrer Trauer gewesen sei, wobei sie freilich durch
ihre Trauerklagen jenen [Satz] bestätigen: „Unter Qualen wirst du Söhne gebären.“
Dieser Satz gilt für beides, [für das] was geboren wird und was zur Welt bringt, indem
das eine von ihnen unter Qualen gebiert, das andere aber unter Qualen geboren wird.
Aber der Herr, der Barmherzige, hat jene verurteilten Kinder der Natur nicht ver‐
achtet, sondern indem er in den Schoß der Frau kam, hat er in jener Mutter den
gewöhnlichen Geburtsvorgang umgewendet und hat in ihr die Gesetze der Geburt
verändert (denn er hatte das Gebären der heiligen Jungfrau frei von Qualen gestaltet)
und der menschlichen Natur eine unverheiratete Mutter geschenkt, wobei er [aber]
die Kinder der Ehe weder verachtete noch geringschätzte.
Und weiter unten [heißt es] dort: Der auf diese Weise geborene Christus wollte das
irdische Leben in die himmlische Sphäre erheben. Denn die äußerst harten Urteile
fesselten die Natur. Was nämlich [ist] bitterer als dieser Satz: „Indem ich sie verviel‐
fache, werde ich deine Trübsal und deine Klagen vervielfachen, unter Qualen wirst du
Söhne gebären.“ Und nochmals: „Verflucht [sei] die Erde in deinem Tun. Unter Qua‐
len wirst du [dein] Brot essen an allen Tagen deines Lebens.“ Und erneut: „Sie wird
dir Dornen und stacheliges Gestrüpp auswerfen.“ Jeder einzelne von diesen [Sätzen]
hat Abhilfe nicht anders erhalten, als dass für jede einzelne Wunde ein auf dem Gegen‐
teil [basierendes] Heilmittel, welches am nächsten [lag] und vertraut war, herbeige‐
schafft wurde. Und denke an [S. 62:] die von Christus gewährte Auflösung all dieser
traurigen Urteile! „Indem ich sie vervielfache, werde ich deine Trübsal und deine Kla‐
gen vervielfachen“, hat er durch das Wort aufgehoben: „Sei gegrüßt, von Gottes Gnade
Erfüllte.“„In Trübsal wirst du Söhne gebären“, hat er dadurch aufgehoben, dass ge‐
schrieben steht: „Gesegnet ist die Frucht deines Leibes.“„Verflucht [sei] die Erde in
deinen Werken“, hat er aufgehoben durch jenes [Wort]: „Ehre [sei] Gott in der Höhe
und Frieden auf Erden.“„Sie wird dir Dornen und stacheliges Gestrüpp auswerfen“,
hat er dadurch aufgehoben, dass ihm die Dornenkrone auf den Kopf gesetzt wurde.
Denn [die Dorne] waren der Ausrottung würdig, weil sie sich dem so bedeutenden
Haupt genähert hatten. „Im Schweiße deines Angesichts wirst du [dein] Brot essen“,
hat er aufgehoben durch folgende Äußerung: „Das Brot, das ich euch geben werde, ist
mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt.“ Er hat das, was der Schlan‐
ge gegen uns gesagt wurde: „Du wirst seine Ferse im Blick behalten“, durch folgenden
Satz aufgehoben: „Ich habe euch die Macht gegeben, Schlangen und Skorpione zu zer‐
treten.“ Er hat jene Nacktheit, die nach der Sünde entstanden ist, durch das unver‐
gängliche Gewand der Herrlichkeit der Auferstehung aufgehoben.
Kein Katechumene hat auf irgendeine Weise Anteil an all diesem. Aber da ja die
Zeit der Taufe naht, ist es gut, auch die [Katechumenen] kurz zu ermahnen, dass sie
sich solcher Geschenke nicht dadurch berauben, dass sie den Tod [dem Erhalt dieser
Gaben] zuvorkommen lassen, ja, dass sich nicht auch diese in eben das so große Un‐
glück stürzen, in das Adam verstrickt war. Ein jeder wird nämlich die gegen die Natur
gefällten Strafurteile erhalten. Denn er wurde nicht des Leibes und des Blutes dessen
teilhaftig, der durch die Taufe diese Urteile aufhebt, und er wurde nicht Genosse der
Ebenbilder, er wird nicht erfüllt werden vom Genuss der wahren Vorbilder.
Und das Übrige bezieht sich überhaupt nicht auf den gegenwärtigen Gegenstand.