An dieser Stelle erhebt sich die Frage, welche Äußerungen des Nestorius und der ihm assoziierten Kleriker zur Zeit der Abfassung des Briefes bereits bis nach Ägypten vorgedrungen waren. Aller Wahrscheinlichkeit nach vor diesem Zeitpunkt anzusetzen ist der Vorfall, von dem der Kirchenhistoriker Sokrates berichtet, dass nämlich ein Presbyter namens Anastasios in Konstantinopel in der Kirche gelehrt habe, dass niemand Maria Göttesgebärerin nennen solle, da sie nur ein Mensch gewesen sei und ein solcher keinen Gott gebären könne (vgl. Hist. eccl. 7,32: θεοτόκον τὴν Μαρίαν καλείτω μηδείς∙ Μαρία γὰρ ἄνθρωπος ἦν, ὑπὸ ἀνθρώπου δὲ θεὸν τεχθῆναι ἀδύνατον). Aber dies war nur eine mündliche Äußerung, bei der sich die Frage stellt, in welchem Umfang sie sich vor dem Bericht des Sokrates verbreiten konnte. Spätestens ungefähr zur selben Zeit wie der hier kommentierte Brief, vielleicht aber auch schon früher, wurde die Contestatio des Eusebius von Dorylaeum verfasst (CV18 [Dok. 2]; zur Abfassungszeit vgl. Price/Graumann [2020], S. 94). Diese enthält Zitate aus den sermones, die bei Loofs (Nestoriana) unter den Nummern 8, 9, 14 und 16 aufgeführt sind. Zumindest diese Predigten sollten also zu der fraglichen Zeit in jedem Fall bereits in Umlauf gewesen sein. Darüber hinaus wird die Bestimmung schwierig. Kyrill berichtet in der Praefatio zum ersten Buch von Contra Nestorium, dass dieser eine Schriftensammlung herausgegeben habe, auf die er mit seinem Werk zu reagieren gedenke (vgl. CV166,I,Praef.,86 – 100, ACO I,1,6 S. 14,28–37 [Dok. 25]). Da diese jedoch, wie es scheint, auch sermo 10 enthielt, der eine Reaktion auf Kyrills Brief an die Mönche darstellt (vgl. CV22,2,1 – 10, ACO I,1,1 S. 110,18–25 [Dok. 8]), muss sie zu einem späteren Zeitpunkt zusammengestellt worden sein.