CV149: Kyrills Rede an die Augustae über den Glauben

Inhalt: Kyrill richtet sich in seinem Schreiben nach seiner Rede ‚Ad dominas‘ (Dok. 40) ein zweites Mal an von ihm als ‚Kaiserinnen‘ angesprochene Adressatinnen, um diese in ihrem rechten Glauben zu bestärken. Zu diesem Zweck führt er, geordnet nach verschiedenen Glaubensfragen, eine Vielzahl von Zitaten aus den neutestamentlichen Schriften an, mehrheitlich solche, die auch eine Interpretation im Sinne einer nestorianischen Christologie zulassen. Diese kommentiert er dann jeweils unmittelbar im Anschluss und deutet sie dabei entsprechend seiner eigenen Position aus, die nachdrücklich die Einheit Christi betont.

Edition: Collectio Vaticana 149, ACO I,1,5 S. 26,2–61,31; ältere Edd.: PG 76, Sp. 1336–1420; Pusey (1965 [= 1868–1877]), Bd. 7 S. 263–333

Verzeichnisnummern: CPG 5220

Verfasser: Kyrill von Alexandria

Datierung: 430

Lat. Übersetzungen:  –

Literatur: van Loon (2009), S. 454–474

Unseres unter den Heiligen [weilenden] Vaters Kyrill, des Erzbischofs von Alexandria, den überaus
frommen Kaiserinnen
gewidmete Rede über den rechten Glauben:

(1) Jenen, die den Dienst der göttlichen und himmlischen Verkündigung verrichten,
spricht der Gott des Alls durch die Stimme Jesajas zu, indem er sagt: „Steig auf einen
hohen Berg, Zion, das du die Freudenbotschaft überbringst, erhebe mit Kraft deine
Stimme, Jerusalem, das du die Freudenbotschaft überbringst! In die Höhe, habt keine
Angst!“
Ich jedenfalls sage nämlich, dass diejenigen, die zum heiligen Dienst be­
stimmt sind und das Geheimnis Christi, des Retters unser aller, kundtun, keine Gesin­
nung haben dürfen, welche niedergeworfen wurde und am Boden liegt, von Zögern
bestimmt ist und durch Verzagtheit eingeschränkt wird, sondern einen Geist, der
gleichsam in die Höhe steigt, wie auf einem Berg liegt und sich unter diesen Voraus­
setzungen darum bemüht, die erhabene Schönheit der Lehren der Wahrheit von allen
Seiten zu betrachten, auch wenn es einige Menschen gibt, die starrsinnig und schwer
zu führen und wie manche Pferde hochmütig und unbeherrschbar sind, wenn sie in die
Mysterien eingewiesen werden. Über die sagt an einer Stelle sogar der selige David in
eigener Person dem Gott des Alls gegenüber: „In Zügel und Zaum magst du die Kiefer
derer zwängen, die sich dir nicht nähern.“
Wenn es aber nötig ist, auch solchermaßen
Gesinnten zuzureden, wie gehörte es [da] nicht zu den trügerischsten Dingen über­
haupt, das Schweigen zu wählen und nicht euren frommen Ohren so oft wie möglich 
die Kenntnis der heiligen Schriften wie einen süßen und lebenspendenden Quell ein­
zuflößen? Den sagt uns Gott schon lange zu, indem er durch die Stimme Jesajas
spricht: „Ihr werdet mit Freude Wasser aus den Quellen der Rettung schöpfen.“ Wir
meinen aber, dass die Quellen der Rettung die heiligen Propheten, Evangelisten und
Apostel sind, welche die überirdische, himmlische und der Welt Rettung bringende
Kunde hervorsprudeln lassen, wobei der Heilige Geist sie leitet, und so die ganze
[Welt] unter dem Himmel erfreuen.

Wohlan denn: Lasst uns, indem wir den Geist in die Tiefen ihrer Gedanken tau­
chen, von dort die Entdeckung der Wahrheit schöpfen. Landmänner schneiden ja zur
rechten Zeit die wohlduftendsten Blüten von den Feldern und überbringen diese dann
in Körbe gesteckt den Herren, die sie auch überaus freudig annehmen und sich an den
[Gaben] der Jahreszeiten erfreuen. Wir aber, die wir einer lehrenden Beschäftigung
nachgehen, bieten wie von einem Feld aus der göttlich inspirierten Schrift keine bald
schon welkende Blütenschau an, sondern vielmehr Worte und eine Einweisung in die
Mysterien, die durch den Geist die unvergängliche Schönheit der Frömmigkeit gegen­
über Christus besitzt und den Wohlgeruch seines Geheimnisses besonders reichhaltig
verströmt. Es steht schließlich geschrieben: „Denn
wir sind für Gott ein Wohlgeruch
Christi.“

1 | 1–2 den‌² … Kaiserinnen]

Es ist nicht ganz klar, an wen die Rede genau adressiert ist. Eine Tradition, die sich bis auf das Florilegium Cyrillianum zurückverfolgen lässt, nennt Eudokia und Pulcheria, die Gattin und die älteste lebende Schwester des Kaisers, als Adressatinnen. Die hier wiedergegebene Überschrift ist sicherlich sekundär, wie schon die nur Verstorbenen zukommende Wendung ἐν ἁγίοις zeigt. Die in ihr zu findende Anrede entspricht jedenfalls der, die auch später im eigentlichen Text vorkommt (vgl. unten CV149,2,1). Weiter unten (vgl. CV149,4,10 – 11) werden die Empfängerinnen – mit dem Plural müssen hier und im Folgenden den damaligen Konventionen entsprechend nicht unbedingt mehrere Personen gemeint sein – außerdem noch mit ὑμῶν κράτος, „eure Herrschaft“ angesprochen, was im engeren Sinne eine Anrede an einen Herrscher darstellt und bei den Adressatinnen eigentlich den Augusta-Titel voraussetzt. Dies trifft in der Tat sowohl auf Eudokia als auch auf Pulcheria zu. In der sacra, die Theodosius später exklusiv an Kyrill schreibt, beschwert jener sich darüber, dass der Bischof in seinen Bemühungen, den θεοτόκος-Streit zu seinen Gunsten zu entscheiden, einerseits an ihn und Eudokia, andererseits an Pulcheria geschrieben habe (vgl. CV8,3,6 – 8, ACO I,1,1 S. 73,23f. [Dok. 43]: ἕτερα μὲν πρὸς ἡμᾶς καὶ τὴν εὐσεβεστάτην αὐγούσταν Εὐδοκίαν τὴν ἐμὴν σύμβιον ἐπιστέλλειν, ἕτερα δὲ πρὸς τὴν ἐμὴν ἀδελφὴν τὴν εὐσεβεστάτην αὐγούσταν Πουλχερίαν). Aus der Sicht des Kaisers ist also mindestens ein Schreiben (der Ausdruck ἕτερα muss sich ja nicht auf eins beschränken) Kyrills ausschließlich oder wenigstens primär an Pulcheria ergangen. Mit Sicherheit an Schwestern des Kaisers – diese waren allesamt geweihte Jungfrauen – richtet sich den in ihr enthaltenen Anreden nach aber in jedem Fall die offenbar früher entstandene Schrift Ad dominas, in welcher die Adressatinnen nämlich nicht nur mit βασιλίδες, sondern auch noch mit ἅγιαι νύμφαι Χριστοῦ, also als „heilige Bräute Christi“ angesprochen werden (vgl. CV150,1,3, ACO I,1,5 S. 62,33 [Dok. 40]). In seiner Apologie an Theodosius, die er gleichsam als Nachtrag zu den aus dem Ruder gelaufenen Streitigkeiten verfasste, spricht Kyrill, wenn auch in anderem Zusammenhang, bemerkenswerterweise von einer βασιλίδων δυάς, einer „Zweiheit von Kaiserinnen“ (vgl. CV118,11, ACO I,1,3 S. 80,9f.). Er scheint also zumindest in dieser Situation lediglich zwei Personen als Kaiserinnen vor Augen gehabt zu haben. Vgl. auch unten Anm. zu CV149,4,10 – 13 und als weiterführende Literatur zu diesem Problem Holum (1982), S. 159; Graumann (2002a), S. 324–326; Bevan (2016), S. 135–137.

1 | 4–7 Steig … Angst]

Jes 40,9.

1 | 16–17 Zügel … nähern]

Ps 31(32),9.

1 | 19 so … möglich]

Wie weiter unten noch deutlicher gesagt wird (vgl. CV149,4,6 – 13), handelt es sich bei dieser Schrift um die bereits zweite Abhandlung, die sich an einen zumindest partiell identischen Kreis von Adressatinnen richtet.

1 | 22 Ihr … schöpfen]

Jes 12,3.

1 | 28–37 Landmänner … Christi]

Vgl. hierzu das Proömium von De recta fide ad Theodosium, wo Kyrill davon spricht, dem Kaiser mit seinem Traktat ein geistliches Gastgeschenk, ein ξένιον πνευματικόν, zu überreichen (CV7,4,6 – 7, ACO I,1,1 S. 44,16 [Dok. 39]).

1 | 36–37 wir … Christi]

2 Kor 2,15.

Die Akten des Konzils von Ephesus 431. Übersetzung, Einleitung, Kommentar

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