Es ist nicht ganz klar, an wen die Rede genau adressiert ist. Eine Tradition, die sich bis auf das Florilegium Cyrillianum zurückverfolgen lässt, nennt Eudokia und Pulcheria, die Gattin und die älteste lebende Schwester des Kaisers, als Adressatinnen. Die hier wiedergegebene Überschrift ist sicherlich sekundär, wie schon die nur Verstorbenen zukommende Wendung ἐν ἁγίοις zeigt. Die in ihr zu findende Anrede entspricht jedenfalls der, die auch später im eigentlichen Text vorkommt (vgl. unten CV149,2,1). Weiter unten (vgl. CV149,4,10 – 11) werden die Empfängerinnen – mit dem Plural müssen hier und im Folgenden den damaligen Konventionen entsprechend nicht unbedingt mehrere Personen gemeint sein – außerdem noch mit ὑμῶν κράτος, „eure Herrschaft“ angesprochen, was im engeren Sinne eine Anrede an einen Herrscher darstellt und bei den Adressatinnen eigentlich den Augusta-Titel voraussetzt. Dies trifft in der Tat sowohl auf Eudokia als auch auf Pulcheria zu. In der sacra, die Theodosius später exklusiv an Kyrill schreibt, beschwert jener sich darüber, dass der Bischof in seinen Bemühungen, den θεοτόκος-Streit zu seinen Gunsten zu entscheiden, einerseits an ihn und Eudokia, andererseits an Pulcheria geschrieben habe (vgl. CV8,3,6 – 8, ACO I,1,1 S. 73,23f. [Dok. 43]: ἕτερα μὲν πρὸς ἡμᾶς καὶ τὴν εὐσεβεστάτην αὐγούσταν Εὐδοκίαν τὴν ἐμὴν σύμβιον ἐπιστέλλειν, ἕτερα δὲ πρὸς τὴν ἐμὴν ἀδελφὴν τὴν εὐσεβεστάτην αὐγούσταν Πουλχερίαν). Aus der Sicht des Kaisers ist also mindestens ein Schreiben (der Ausdruck ἕτερα muss sich ja nicht auf eins beschränken) Kyrills ausschließlich oder wenigstens primär an Pulcheria ergangen. Mit Sicherheit an Schwestern des Kaisers – diese waren allesamt geweihte Jungfrauen – richtet sich den in ihr enthaltenen Anreden nach aber in jedem Fall die offenbar früher entstandene Schrift Ad dominas, in welcher die Adressatinnen nämlich nicht nur mit βασιλίδες, sondern auch noch mit ἅγιαι νύμφαι Χριστοῦ, also als „heilige Bräute Christi“ angesprochen werden (vgl. CV150,1,3, ACO I,1,5 S. 62,33 [Dok. 40]). In seiner Apologie an Theodosius, die er gleichsam als Nachtrag zu den aus dem Ruder gelaufenen Streitigkeiten verfasste, spricht Kyrill, wenn auch in anderem Zusammenhang, bemerkenswerterweise von einer βασιλίδων δυάς, einer „Zweiheit von Kaiserinnen“ (vgl. CV118,11, ACO I,1,3 S. 80,9f.). Er scheint also zumindest in dieser Situation lediglich zwei Personen als Kaiserinnen vor Augen gehabt zu haben. Vgl. auch unten Anm. zu CV149,4,10 – 13 und als weiterführende Literatur zu diesem Problem Holum (1982), S. 159; Graumann (2002a), S. 324–326; Bevan (2016), S. 135–137.