4. Beziehungen und Ereignisse

Aus praktischen Gründen lohnt es sich zwar meistens zwischen Beziehungen und Ereignissen zu unterscheiden, die Grenzen sind jedoch manchmal nicht klar auszumachen. Sowohl Beziehungen wie auch Ereignisse repräsentieren Zusammenhänge zwischen Entitäten (und/oder Werten). Ereignisse stellen ein konkretes Geschehnis dar und keinen Zustand. Die Beziehung “married” würde z.B. den Zustand des Verheiratet-Seins beschreiben, während das Ereignis “marriage” spezifisch den Beginn der Heirat markiert. In BeNASch annotieren wir Beziehungen und Ereignisse mit derselben Methode.

Wir unterscheiden zwischen zwei Komplexitätsstufen der Annotation. Ein Projekt sollte für jede Beziehungs- und Ereignis-Klasse, die verwendet wird, bestimmen, ob die einfache Annotation ausreicht, oder von der vollen Annotation Gebrauch gemacht werden sollte.

Die einfache Annotation ist Teil des offiziellen BeNASch-Schemas und ihre Verwendung bedeutet keinen Bruch mit dem Schema.

4.1 Annotationsebene

Eine Beziehung oder ein Ereignis finden jeweils auf einer bestimmten syntaktischen Ebene statt, welche wir als Annotationsebene bezeichnen. Annotationen für die Beziehung oder das Ereignis dürfen nur auf dieser Ebene erfolgen bzw. Entitäten/Werte auf dieser Ebene verbinden. Eine Annotationsebene kann z.B. die Dokument- oder Satzebene sein, oder die Ebene innerhalb einer Erwähnung. Falls die Beziehung oder das Ereignis in einer Erwähnung stattfinden, kann die Erwähnung selbst auch ein Element der Beziehung oder des Ereignisses sein.

Beispiel: “[[ihr] Ehemann]”

Beziehungstyp Entität A Entität B
Verheiratet Ehemann ihr

Beispiel: “Es verhandelt [[der Kinder] Vogt] mit [dem Käufer]”

Ereignistyp Entität A Entität B
Verhandlung der Kinder Vogt Käufer

Die Erwähnung der “Kinder” liegt nicht auf derselben Annotationsbene wie das Ereignis, daher können die Kinder kein Element des Ereignisses sein. Die Verbindung zum Ereignis kann aber trotzdem festgehalten werden, indem gleichzeitig die Beziehung zwischen den Kindern und dem Vogt festgehalten wird.

Beziehungstyp Entität A Entität B
Stellvertretung Vogt Kinder

4.2. Einfache Annotation

Die einfache Annotation umfasst lediglich drei Elemente:

  • Entität/Wert A
  • Entität/Wert B
  • Klassifikation

Manche Beziehungen sind gerichtet, zum Beispiel eine Besitzverhältnis-Beziehung. Andere sind symmetrisch, z.B. eine Eheleute-Beziehung. Bei gerichteten Beziehungen ist die Erwähnung A die sogenannte from-Partei und die Erwähnung B die to-Partei. Die Beziehung sollte so gelesen werden können “<from> is <Beziehungs-Klasse> by/to/of <to>”.

Diese einfache Annotation kann bereits viele Fälle abdecken, z.B. Beziehungen wie “Bertha, Hansis Frau” oder “Bertha heiratet Hansi”.

4.3. Volle Annotation

Die volle Annotation ermöglicht die Annotation von komplexeren Konstruktionen und umfasst die folgenden Elemente:

  • Textspanne
  • Trigger
  • Entitäten/Werte gemäss definierten Rollen
  • Zusatzinformationen
  • Klassifikation

Die Textspanne sollte das syntaktische Element umfassen, in welchem das Ereignis stattfindet, und in welchem daher auch alle anderen Elemente liegen. Diese Textspannen-Annotation ist nicht den Regeln der Entitätenannotation unterworfen und darf sich z.B. mit anderen Textspannen-Annotationen schneiden.

Beispiel: “[Elsa hat auf das Haus 5 Gld. geboten] und [am Dienstag hat sie es gekauft.]”

Beispiel: “[[Elsa hat auf das Haus 5 Gld. geboten] und es gekauft.]”

Der Trigger sollte den zentralen Begriff der Beziehung oder des Ereignisses markieren, wobei wir der Konsistenz wegen dazu raten den Trigger auf den linguistischen Kopf der syntaktischen Einheit, welche die Beziehung oder das Ereignis ausmacht, zu setzen. Dies ist auf Satz- oder Dokumentebene meist das Prädikat, in Erwähnungsebenen üblicherweise der Head. In seltenen Fällen oder bestimmten Texttypen kann es sein, dass kein Trigger auszumachen ist. In diesem Fall kann der Trigger auch weggelassen werden.

Beispiel Satzebene: “[das Kloster hat wegen versessener Zinsen Uelis Haus gefrönt.]”

Beispiel Erwähnungsebene: “[seine Frau]

Erwähnungspräzisierungen implizieren oft eine Beziehung oder ein Ereignis, ein Fakt, den wir uns während der Annotation zu Nutze machen können.

Jede Beziehung und jedes Ereignis definiert in seiner vollen Annotation Rollen, welche Entitäten oder Werten zugewiesen werden. Es definiert auch, wie oft eine Rolle jeweils vorkommen kann, und ob gewisse Rollen optional sind. Zudem existiert eine Zahl generischer Rollen, welche alle Beziehungen oder Ereignisse (optional) aufweisen.

Beispiel: “[Hans von Oltingen mit Zustimmung Franzen Oltingers seines Vaters verkauft an Peter Schützen den Rebmann das Haus und den Garten für 163 fl.]”

Rolle Entität/Wert
Verkäufer Hans von Oltingen
Käufer Peter Schützen
Gibt Zustimmung zum Verkauf Franzen Oltingers
Kaufobjekt das Haus
Kaufobjekt den Garten
Kaufpreis 163 fl.

Zusatzinformationen werden direkt als Textspanne annotiert und können (mehrere) Entitäten oder Werte umfassen. Diese Entitäten oder Werte sollten aber nicht gleichzeitig Rollen einnehmen. Zusatzinformationen sollten auch klassifiziert werden.

Beispiel: “das Haus, [zinst jährlich {zur Weisung} ein Brot.]” / “zur Weisung” –> Zinsgrund

Beispiel: “[er schuldet 300 fl. Kapital {für jeden fl. 6 sh.]}” / “für jeden fl. 6 sh.” –> Geldumrechnung

4.4. Unter-Beziehungen / Unter-Ereignisse

Es kann vorkommen, dass innerhalb einer Ereignisspanne (oder Beziehungsspanne) mehrere Sachverhalte beschrieben werden. Ein Beispiel für einen solchen Fall:

”[…] das Haus, [zinst jährl. dem Spital 2 sh. zu eigen 1 brot zur wysung, dann dem Kloster zu Barfüssen 1 sh. 2 pfennig ablösbar mit 30 fl.]”

Wir definieren in diesem Fall alle Informationen innerhalb der Spanne demselben Ereignis oder derselben Beziehung zugehörig. Aber wir unterscheiden sie trotzdem in verschiedene Unter-Ereignisse oder Unter-Beziehungen. In diesem Fall würden sich drei Unter-Ereignisse auszeichnen lassen:

Für alle Unter-Ereignisse:

Rolle/Trigger/Zusatzinfo Entität/Wert/Spanne
Trigger “zinst”
Objekt Haus1
Intervall jährl.

Unter-Ereignis 1.1:

Rolle/Trigger/Zusatzinfo Entität/Wert/Spanne
Empfänger Spital
Betrag 2 sh.
Zinsgrund “zu eigen”

Unter-Ereignis 1.2:

Rolle/Trigger/Zusatzinfo Entität/Wert/Spanne
Empfänger Spital
Betrag 1 brot
Zinsgrund “zur wysung”

Unter-Ereignis 2:

Rolle/Trigger/Zusatzinfo Entität/Wert/Spanne
Empfänger Kloster zu Barfüssen
Betrag 1 sh. 2 pfennig
Betrag zur Ablösung 30 fl.

4.5. Klassifikation

Die wichtigste Klassifikation jedes Ereignisses und jeder Beziehung ist die Ereignis- bzw. Beziehungsklasse. Diese beschreibt die inhaltliche Bedeutung der Annotation. Eine Liste von vorgeschlagenen Klassen und deren Beschreibung findet sich in der Typologie (TODO: Verlinken).

Weiter sollten folgende Klassifikationen ausgezeichnet werden (in fett jeweilige default-Werte):

Polarität:

Klasse Beschreibung
pos  
neg Verneinung des Ereignisses / der Beziehung.

Zeitform:

Klasse Beschreibung
pres Gegenwart, entspricht der “textual anchor time”, d.h. auch Verben die eine Vergangenheitsform aufweisen, können ein Ereignis oder eine Beziehung im “pres” beschreiben.
past Ereignis / Beziehung explizit in der Vergangenheit, auch in Bezug auf die “textual anchor time”.
fut Ereignis / Beziehung explizit der Zukunft. Die Unsicherheit von künftigen Ereignissen ist damit schon abgedeckt, es braucht also keine weitere Angaben zur Modalität (siehe unten).
unspec Nicht klar

Modalität:

Klasse Beschreibung
ass Ereignis / Beziehung wird als Fakt beschrieben.
claim Ereignis / Beziehung wird als Behauptung beschrieben.
rumor Ereignis / Beziehung wird als Gerücht beschrieben.
hypo Ereignis / Beziehung wird als Möglichkeit beschrieben.
requ Ereignis / Beziehung wird als Befehl beschrieben.
prop Ereignis / Beziehung wird als Vorschlag beschrieben.
desi Ereignis / Beziehung wird als Wunsch beschrieben.
prom Ereignis / Beziehung wird als Versprechen beschrieben.
other Ereignis / Beziehung wird nicht als Fakt beschrieben, passt aber in keine andere Kategorie

4.6. Vollständige Beispiele

TODO

  1. Die Beziehung ist hier in einem Deskriptor beschrieben. In diesem Fall kann auch die darüberliegende Annotation, auf die sich der Deskriptor bezieht, mit einer Rolle versehen werden.